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Flussverunreinigung. 315
grossen Stadt, oder mit der Rücksichtnahme auf eine zerstreute Bevölkerung
flussabwärts gedient?
Was endlich speziell die gefährlichen Kleinwesen betrifft, so ist zwar die
Möglichkeit zuzugeben, dass ein Kanalwasser auch bei der grössten Verdünnung
nicht unschädlich sei, dass ein Infektionspilz die Passage durch den Fluss und
durch die Filteranlage einer Wasserversorgung!) überstehen und dann grade
zu einem empfänglichen Individuum gelangen könne. Aber muss gegen eine
solche Gefahr um jeden Preis Sicherheit geschaffen werden? Das wäre um
so weniger gerechtfertigt, als die ganze Wissenschaft der Krankheitskeime noch
manche Unsicherheiten enthält und als die medizinische Statistik bis jetzt
keinerlei Beleg zum Uebertragen von Krankheiten durch einen Fluss giebt, seı
es durch dessen Ausdünstung, Schlammablagerung oder Benutzung. Vielmehr
sollte nur ein angemessener Grad von Wahrscheinlichkeit gegen das Ein-
treten der Gefahr erreicht werden, wie es bei fast allen hygienischen Mass-
regeln, z. B. bei dem Auslassen von Krankenluft und Kanalgas in die Atmo-
sphäre, geschieht.
Auf diesen Standpunkt hat sich auch der deutsche Verein für öffentliche
Gesundheitspflege gestellt mit der These (1886): „Die Reinigung der städtischen
Abwässer vor ihrer Zuführung in die Flussläufe bleibt anzustreben. Bei dem
jetzigen Stande der Technik und den erheblichen mit jeder Reinigung verbun-
denen Kosten empfiehlt es sich jedoch die Forderung der Reinigung nur in den
Fällen zu erheben, wo gesundheitliche Missstände zu befürchten sind, oder
sonstige erhebliche Uebelstände sich fühlbar machen und nur in einem solchen
Umfang, als zur Beseitigung dieser Uebelstände geboten ist.“ ?)
6. Schlussfolgerungen. Auf den sub 1-5 geschilderten Erwägungen
wird nun im einzelnen Falle die Methode der etwaigen Reinigung von Kanal-
wassern festzusetzen sein. Zuweilen handelt es sich nur um die Behandlung
einzelner Bestandtheile in Kanalwasser, namentlich der Exkremente und der
gewerblichen Abwässer. Denn nach dem sub 3 und 4 Gesagten ist das Hintan-
halten von Koth und eventuell noch der sonstigen suspendirten Stoffe
besonders wichtig und für den Fluss gewiss in vielen Fällen genügend. Die
zu diesem Zweck in OVII und D VIII angeführten häuslichen Operationen
lassen sich aber nicht leicht auf die Gesammtheit des Kanalwassers er-
strecken; es wäre z. B. unrichtig, das Brauchwasser schon in jedem einzel-
nen Hause intensiver zu reinigen, als es ohnedies wegen Reinhaltung der
Kanäle geschehen muss: Zentralisirte Behandlung ist einfacher, billiger und
zuverlässiger, insbesondere auch für die landwirthschaftliche Verwerthung der
im Kanalwasser enthaltenen Düngstoffe. Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen,
dass grosse Fabriken, Brauereien, Schlachthöfe, Krankenhäuser u. dgl., welche
das städtische Kanalnetz benutzen, zweckmässiger Weise für sieh reinigen,
falls ihre Abwässer von besonders schlechter Beschaffenheit sind; denn hiermit
kann möglicherweise das Wichtigste geschehen sein, so dass sich die zentrale
Reinigung erheblich vereinfacht oder ganz erspart bleibt. Dazu kommt, dass
dann auch die Kanäle selbst weniger zu leisten haben, dass vielleicht ihre
Spülung eingeschränkt werden kann und ihr Material gegenüber gewerblichen
Chemikalien besser geschont bleibt (8. 246). Aus diesen Gründen ist eine ge-
setzliche Bestimmung zweckmässig und in den meisten Städten bereits vorhan-
den, dass gewerbliche Abwasser nur dann in städtische Kanäle geleitet werden
dürfen, wenn mit ihnen erforderlichen Falles eine mechanische Klärung oder
eine chemische Umwandlung vollzogen ist. Die Beurtheilung muss dabei von
Fall zu Fall erfolgen. Eventuell könnte auch derartigen Anstalten ein be-
1) Durch gute Sandfiltration werden die suspendirten, theilweise auch die gelösten Stoffe
und die Mikro-Organismen zurück gehalten.
2) Untersuchungen einzelner Flüsse nach den oben erörterten Gesichtspunkten finden
sich ausser in den unter Litteratur angegebenen Werken in folgenden Quellen: Wibel, Die
Fluss- und Bodenwässer Hamburgs 1876. Die Verunreinigung der Selne nach amtlichen Quellen von
Varrentrapp in der Vierteljahrschrift für öff. Ges. 1876, 500, von Finkelnburg 1877, 434.
Baumeister, Amerikanische Beobachtuugen, ebenda 1876, 487 und 1878, 574. Kämmerer,
Untersuchungen des Pegnitzwassers in Nürnberg 1878. Emmerich, Die chemischen Verär-
derungen des Isarwassers in München 1878. Hulwa, Beiträge zur Schwemmkanalisation und
Wasserversorgung von Breslau, 2. Ergänzungsheft zum Zentralblatt für allg. Gesundheits-
pflege, Bonn, 1884.