Full text: Städtisches Strassenwesen und Städtereinigung (Abtheilung 3, 3. Heft)

  
  
  
  
Enteignung und Regulirung. 57 
der Grundeigenthümer liegt, ungeeignet Reste aus der Welt zu schaffen, 
Strassen und Bauplätze gleichzeitig richtig zu stellen. Daher wäre für die 
Gemeinde die Befugniss angemessen, alle Reste zu erwerben, für welche Minder- 
werthe bezahlt werden müssten; denn eben in dem letztern liegt der Beweis 
ihrer Unzweckmässigkeit zum Bauen. 
Noch weiter geht das Verfahren in französischen und belgischen 
Städten (ähnlich bei der Regulierung von Rom und bei der Andrassy-Strasse in 
Budapest), wo die Enteigaung auf alle übrig bleibenden Reste und sogar auf 
solche Grundstücke, welche von einer Strasse nicht berührt werden, ausge- 
dehnt werden darf, falls Gesundheitswidrigkeit als Ergebniss von äussern und 
bleibenden Ursachen ist vorliegt, und falls zusammen hängende Arbeiten nach 
Ansicht der Verwaltungsbehörde zum Errichten gesunder Wohnungen oder zum 
Beseitigen überflüssiger Wege nöthig sind. Die Stadt wird dadurch Spekulant, 
indem sie die Flächen nach bisherigem Werth kauft und neue Bauplätze nach 
erhöhtem Werth verkauft, eventuell dies Geschäft an einen Unternehmer über- 
trägt. Ausser in Paris unter Haussmann’s Leitung ist jedoch von diesem Ge- 
setz nicht viel Gebrauch gemacht worden, weil es die Initiative ausschliesslich 
den Gemeinderäthen überträgt. 
Etwas mässiger gestattet die englische Gesetzgebung (Artisans and La- 
bourers Dwellings Improvement Acts 1875, 79, 82) allen Städten über 25 000 
Einwohner die Befugniss, ganze Flächen ungesunder Gassen und Häuser zu 
enteignen, nachdem das Verfahren früher schon auf einzelne Häuser anwend- 
bar gewesen. Dabei muss in London stets für die Hälfte der Bewohner Er- 
satz durch neue Wohnungen auf demselben Platz oder in dessen nächster Nähe 
geschaffen werden, in andern Städten nach Ermessen des Ministeriums, da es 
nicht jedem Arbeiter ansteht entlegen zu wohnen. Hiervon ist nun in den 
Fabrikstädten Englands unter Aufwendung grosser Mittel schon viel Gebrauch 
gemacht worden. 
Auch in Deutschland wäre der Erlass gesetzlicher Bestimmungen zu wünschen, 
welche den Begriff der Ungesundheit von Wohnungen thunlichst präzisiren, die Be- 
nutzung solcher Räume verbieten und behufs ihrer Beseitigung den Gemeinden 
ein ausgedehnteres Enteignungsrecht gewähren, als es oben mit Bezug auf 
Grundstückreste dargelegt ist. Das in manchen Enteignungs-Gesetzen enthaltene 
Motiv „aus Gründen des öffentlichen Wohls“ usw. hat noch keine genügend 
leichte Handhabe dargeboten. Hand in Hand damit müsste immer die Für- 
sorge für Ersatz der wegfallenden Wohngelegenheiten gehen und überhaupt 
nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht der Gemeinden zu derartigen 
Massregeln festgestellt werden.t) 
Die nothwendige Ergänzung zur Enteignung von Grundstück-Resten bildet 
deren Eineignung, d. h. der zwangsweise Uebergang an Nachbarn, welche 
allein davon Gebrauch machen können. Dies Verfahren ist in Hamburg, Bre- 
men, Wiesbaden, Wien u. a. österreichischen Städten mit Bezug auf Korrektion 
bestehender Strassen geregelt. also im allgemeinen für geringfügige Flächen. 
Bei den Stadterweiterungen von Strassburg und Budapest kommt es reichlicher 
zur Anwendung. Rationell sollte auch hier die Eigenschaft der Bauunfähig- 
keit massgebend sein, sei es nach der Flächengrösse oder nach der geome- 
trischen Form. 
Mit den Rechten zur Enteignung und Eineignung von Resten vermag die 
Gemeindeverwaltung Ordnung zu schaffen ohne übertriebene Opfer und sollte 
sie gelegentlich einen kleinen Gewinn machen, so gleicht derselbe doch nur 
das übernommene Risiko aus, ohne dass die Grundbesitzer zu kurz kommen. 
Trotzdem würde jedoch, namentlich auf leerem Gelände, oft eine zum Bauen 
ungeschickte Theilung verbleiben: schmale, spitzwinklige, abgesonderte Grund- 
stücke. Ferner bleibt es unbillig, dass der Eine viel Fläche zu einer Strasse 
hergeben muss (wenn gleich gegen volle Entschädigung) und Wenig behält, 
ein Anderer umgekehrt. Nun ist, ausser durch fürstliches Eingreifen, zuweilen 
eine freiwillige Regulirung vorgenommen worden (Luisenstadt und Thiergarten- 
1) Vergl. Resolution des deutschen Vereins für öff. Gesundheitspflege, Vierteljahrschrif& 
XNVTI18,39. 
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