Full text: Städtisches Strassenwesen und Städtereinigung (Abtheilung 3, 3. Heft)

  
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66 ‚Vollzug von Bebauungsplänen. 
Abstand. Oft werden Baulustige freiwillig eine noch ausgedehntere definitive 
Kanalisation vorziehen, falls vorüber gehende Massregeln kostspieliger erscheinen. 
Diese letztern bestehen nun meistens für Brauchwasser in wasserdichten 
Sammelgruben mit häufiger Entleerung oder mit Auslauf zu landwirthschaft- 
licher Benutzung (Düsseldorf,; Hamburg, Mainz, Wiesbaden, Strassburg). In 
München sind sogar allgemein, bis zur Herstellung eines Kanals, Versickerungs- 
gruben für Brauchwasser gestattet; für Regenwasser dürfte jedenfalls die Ver- 
sickerung unbedenklich sein. 
Mit Bezug auf Exkremente tritt natürlich bis zu eventueller späterer 
Aufnahme in Kanäle, Abfuhr ein, sei es aus Gruben oder mittelst Tonnen. 
Für die besagte Entleerung und Abfuhr hat bei ganz vereinzelten Gebäuden 
der Eigenthümer selbst zu sorgen; wenn erst Gruppen und Kolonien enstanden 
sind, mag die Stadt bezw. ein Unternehmer eintreten, etwa gegen höhere 
Gebühren als in der Stadt. 
In starken Gegensatz zu vorstehendem Verfahren tritt die Bestimmung des 
preussischen Gesetzes von 1875: dass durch Ortstatut die Errichtung von Wohn- 
gebäuden „an unfertigen Strassen“ ganz untersagt werden kann, von welcher Be- 
stimmung die meisten grössern Städte in Preussen, sogar auch Landgemeinden, 
Gebrauch gemacht haben.!) Und in Bayern ist, noch schärfer, für alle Gattungen 
von Gebäuden die Erlaubniss zum Bauen erst dann in Aussicht gestellt, wenn 
die Herstellung der betreffenden Strasse gesichert wird. In mehreren badischen 
Städten pflegt man für abgelegene Baulichkeiten die Bauerlaubniss an die 
Möglichkeit unterirdischer Entwässerung zu knüpfen und Sammelgruben, 
ausser bei unmittelbarer landwirthschaftlicher Verwendung ihres Inhalts (vergl. 
das Motiv S. 54) zu verbieten. 
Mittels derartiger Verbote kann allerdings ungesunden Zuständen vorgebeugt 
werden; allein es lässt sich das auch durch die angeführten vorüber gehenden 
Massregeln genügend erreichen. Wichtiger für eine Stadt ist wohl die Wirkung 
der angeführten Einschränkungen, dass die Erweiterung nun kompakt vor- 
schreiten muss, so weit die Verwaltung eben für gut findet, neue Strassen 
herzustellen und dass Bezirke mit sperriger Bebauung, mit grossen Ansprüchen an . 
Strassen-Unterhaltung und Bewachung vermieden werden. Anderseits wird offen- 
bar durch solche Verbote das Angebot von Bauplätzen eingeschränkt, also der 
Preis gesteigert, sowie das natürliche Wachsthum einer Stadt gehemmt, 
indem doch aussen mancherlei Landhäuser, Arbeiterwohnungen, gewerbliche 
Ansiedelungen Bedürfniss sind, welche sich nun in Nachbargemeinden ansiedeln. 
Dies um so eher, als ein anderes preussisches Gesetz (25. August 1876) eigens 
die Bedingungen für neue Ansiedelungen (in den östlichen Provinzen und 
Westfalen) festsetzt, nämlich Zugänglichkeit und Sicherheit gegen Gefährdung 
landwirthschaftlicher usw. Nutzupgen. 
Demnach ist wohl zu fragen, ob dem öffentlichen Wohl besser durch un- 
beschränkte, oder durch örtlich beengte Baufreiheit gedient wird. Thatsächlich 
werden auch. jene Verbote keineswegs überall strenge gehandhabt. In 
Magdeburg, Hannover, Dortmund u. a. sind ausdrücklich Ausnahmen in Aussicht 
gestellt, in Würzburg nur „Hauptgebäude“ abseits von städtischen Strassen 
untersagt. Das Ortsstatut von Elberfeld enthält von vorn herein dreierlei Aus- 
nahmen von dem Verbot: Wohnhäuser ohne fertige Strasse und ohne aus- 
führbare Entwässerung zu errichten, nämlich allgemein für eine Reihe bestimmter 
Landstrassen, sodann bei vereinzelten Bauten in ländlicher Gegend, endlich da, 
wo die Ableitung des Hauswassers in Kanäle oder Bäche mit besondern 
Schwierigkeiten verbunden sein würde, aber auf anderem unschädlichem Wege 
bewerkstelligt werden kann. Ferner beschränkt sich in Hamburg und Altona 
das Verbot auf grosse Miethhäuser ohne Sielanschluss, und in Hessen heisst 
es nur, dass ausserhalb eines ausreichenden Ortsbauplans in der Regel 
keine Gebäude errichtet werden dürfen. In Folge dessen wird in Darmstadt 
die Errichtung von Gebäuden an uneröffneten Strassen nur an die Bedingung 
  
  
1) Schlecht gewählt ist jedenfalls der Wortlaut des preussischen Gesetzes; er hat dazu 
‚geführt, dass an Feldwegen, welche künftig nicht in städtische Strassen verwandelt werden 
sollen, daher auch nicht „unfertige Strassen“ sind, ja sogar im freien Felde Wohngebäude ge- 
stattet werden mussten, offenbar gegen die Absieht des Gesetzgebers.
	        
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