Der Brückenbau.
IV. Breite der Brücken.
Die Breite der Eisenbahnbrücken hat sich nach dem Normalprofil
des lichten Raumes zu richten. Das Geländer oder die mehr als 0,76 m über
Schienenoberkante hervor ragenden Theile der Hauptträger müssen also mindestens
2 m yon der Mitte des nächsten Gleises entfernt bleiben. Bei langen Brücken sind
über den Pfeilern heraustretende Plätze anzubringen, auf denen die Arbeiter und
Beamten Schutz vor dem Zugverkehr suchen können;l) oder es sind die Geländer
durchweg etwas mehr als 2m, mindestens 2,35m, wo möglich 2,5m von der
Mitte des nächsten Gleises anzubringen, so dass überall ein Mann ausserhalb
des Normalprofils stehen kann. Das letztere, als das in der Regel kostspieligere
Mittel wird man nur bei Bahnen mit sehr starkem Verkehr anwenden.
Hiernach beträgt die lichte Breite zwischen den Geländern:
bei eingleisigen Brücken mindestens 4m
„ zwei „ ıı „ 7,5 a
„ drei „ „ „ 11,5 "
vier 15,0 m
” ” | . ” .. 3 a . . 71. ı .
Die Breite der gewölbten Eisenbahnbrücken von Stirn zu Stirn lässt sich,
wenn man kräftig ausgekragte Gesimse und eiserne Geländer anwendet, allen-
falls gleich den erwähnten Breiten herstellen. In der Regel findet man aber,
da so grosse Knappheit manche Uebelstände mit sich bringt, eine etwas grössere
Stirnbreite, etwa um 0,5 m breiter als die Lichtbreite zwischen den Geländern,
wobei über Konsolgesimsen steinerne Brüstungsmauern ausgeführt werden
können. Lestere wendet man indess, dass sie immerhin kostspielig sind, in
neuerer Zeit in Deutschland selten an.?)
Die Breite der Strassenbrücken war in alten Zeiten sehr klein. Die
900 m lanve Rhone-Brücke bei Avignon war zwischen den Brüstungen nur 4m,
die 1135 begonnene Donau-Brücke in Regensburg ist bei 303 m Gesammtlänge
nur 6,5 m breit.?,#)
Die alte Elbe-Brücke (Augustus-Brücke) in Dresden, im wesentlichen 1319
begonnen, hat 8,21 m Stirnbreite und 11,04 m Nutzbreite zwischen den eisernen
Geländern (sehr kräftige Steinauskragung der Fusswege.?)
Auch die Londonbrücke ist mit 17,1m Breite zwischen den Geländern®)
für ihren ausserordentlich starken Verkehr schmal bemessen.
Mit dem Wachsen des Volkswohlstandes und der Ausbildung der tech-
nischen Hülfsmittel hat sich das Bestreben eingestellt, die Brücken in der vollen
Breite der Wege herzustellen, welche sie überführen sollen. Zwar finden sich
noch immer Einschränkungen, und die hohen Kosten eines Brückenbaues
lassen es oft als gerechtfertigt erscheinen, wenn mit der Breite nicht über das
nothwendigste Maass hinausgegangen wird.’) Ja, in städtischen Strassenzügen,
wo man es jetzt im allgemeinen wohl für angemessen hält, die Brückengeländer
in die Baufluchtlinien der überzuführenden Strassen zu stellen, den Brücken
also die volle Strassenbreite zu geben, kann man die Berechtigung dieses Vor-
sanges bestreiten. In den Strassen wird ein gewisser Theil der Breite durch
die vor den Häusern haltenden Fuhrwerke in Anspruch genommen. Um
diesen Theil könnte die Brücke schmaler sein als die Strasse, ohne dass der
Verkehr beeinträchtigt würde — vorausgesetzt allerdings, dass die Strasse eine
für ihren Verkehr angemessene Breite hat, was jedoch nicht überall der Fall ist.
1) Nach den jüngsten ministeriellen Bestimmungen in Frankreich sollen seitliche Zufluchts-
nischen in Stärke der Brüstungsmauer in Abständen von 50 zu 50m angebracht werden. (Nouv.
ann. 1880, Sp. 131.)
2) Anordnungen zu besonders starker Einschränkung der Breite von gewölbten Eisenbahn-
brücken siehe S. 354 und 366.
83) Heinzerling, A. B. 2. 1871.
4) Eine in neuester Zeit ausgeführte Strassenbrücke mit sehr geringer Breite bei ziemlicher
Länge (66m einschl. der Widerlager) ist die Brücke über den Gardon bei Collet in Süd-
frankreich. Breite zwischen den Brüstungen 3,8 m (2,5 m Fahrbahn und je 0,65m Fussweg.)
Centr. Bl. d. B. 1883. S. 288.
5) Die Bauten von Dresden 1878.
6) Sammlung von Zeichnungen aus dem Wasserbau v. Studirenden d. Bauakad. 1852/53
Berlin, Ernst & Sohn (nach Z. f. B. 1890, S. 219 nur 16,51 m\.
7) Wegen der Vergröfserung der nutzbaren Brückenbreite durch Auskragung der Fuss-
wege 8. 354.