284 Der Brückenbau.
e. Kreuzgewölbe.
Eine Gewölbeform, die bei Brücken selten, aber doch hin und wieder vor-
kommt, ist das Kreuzgewölbe. Ein grösseres Beispiel dieser Art ist der
Strassenviadukt von Clisson über die Moine in der Vendee.!) Die Pfeiler sind
hier durch eine 4m breite Oeffnung durchbrochen, so dass jederseits noch 2,4 m
Pfeilerlänge verbleibt.
Berechtigt ist das Kreuzgewölbe, wenn unter der Brücke, in ihrer Längen-
axe ein Verkehrsweg geführt werden muss, z. B. bei 2 stöckigen Brücken (unten
Strasse, oben Eisenbahn).
‚Ein grosser Theil des Viadukts der Berliner Stadteisenbahn ist in dieser
Weise ausgeführt, da durch 4m breite Durchbrechungen in den Pfeilern Platz
für einen in der Viaduktmittellinie entlang zu führenden Entwässerungskanal zu
gewinnen war. Ausserdem dient die Durchbrechung dazu, den Verkehr zwischen
den — zu vermiethenden — Viadukt-Räumen zu vermitteln. ?)
III. Aufbau der Widerlager und Pfeiler.
a. Formen der Widerlager.
Theoretisch ist eine Unterscheidung zwischen Gewölbe und Widerlager nicht
zu rechtfertigen, wenn man nicht die sogen. Bruchfuge als Grenze zwischen
Gewölbe ynd Widerlager bezeichnen will, wie neuerdings geschehen ist. (Dtsch.
Bztg. 1891. S.467.) Aus praktischen Rücksichten kann die Unterscheidung
aber nothwendig oder zweckmässig sein, einmal, wegen der sonstigen Funktionen,
die das Widerlager auszuüben hat, sodann aber wegen der leichteren und
billigeren Ausführung.
E@= In vielen Fällen, in denen ein nach aussen senkrecht begrenztes Widerlag-
Mauerwerk verlangt zu werden pflegt, kann die Berechtigung dazu nicht anerkannt
werden. Bei Brücken über einen Wasserlauf z. B. ist es für letzteren unzweifel-
haft am vortheilhaftesten, wenn die
Fig. 36. Böschungen ununterbrocken unter der
= Se Brücke hindurchgehen können. An-
ordnungen, wie die auf $S. 281 mit-
getheilten Brücken von Herford-Det-
mold oder die Lenne-Brücke bei Vor-
wohle, Fig.36, mit sogen. „verlorenen“
Widerlagern, verdienen daher den
Vorzug vor solchen mit senkrechten
\ SI Widerlagmauern. Auch ästhetische Bedenken sollten nicht
= = von der Anwendung verlorener Widerlager abhalten. Bei
=== Brücken mit mehren Oeffnungen freilich wird man sich
ENSROPFZFFENZ Giesen Bedenken nicht verschliessen können. Da die
"Kk--40---) ‘ Zwischenpfeiler hier eine Unterstützung der Bögen durch
enkrechtes Mauerwerk bedingen, wird man solches auch an den Endwider-
lagern in der Regel nicht vermeiden können.?) Ausnahmen kommen vor (Ueber-
brückungen der Berliner Ringbahn).
E. H. Hoffmann) nennt die Brücken mit verlorenem Widerlager „Erddruck-
Steinbrücken“, in neuerer Zeit „Schefferbrücken“.5) Die letztere Bezeichnung
rührt von dem früheren Baudirektor der Lübeck-Büchener Bahn, W. Scheffer her,
welcher 1850/1 zuerst eine gewölbte Brücke mit verlorenen Widerlagern und
bis zur Bausohle hinab radialen Fugen ausführte. Im Jahre 1881 wurden von
E. H. Hoffmann 3 solche Brücken in der Kreischaussee von Oranienburg nach
Arendsee ausgeführt®) (3 bis 6 km von Oranienburg), welche zugleich als Beispiele
1) Morandiere, 9.386, Bl. 81.
2) 2. £. B. 1884. Bl. 1.
®) Bei der London-Brücke (Hagen, Wasserbaukunst, Taf. 14) sind, wiewohl das Widerlager
aussen senkrecht ist, dennoch die Schichten im unteren Theile geneigt und darauf allmählich
in die radiale Richtung übergehend ausgeführt
4) Vergl. Dietrich „Ein Wort.“ Baugew.-Ztg. 1882.
5) Baugew.-Ztg. 1881, S. 154.
°) E. Dietrich. Ueber eine Hoffmann’sche Steinbrücke. Baugew.-Ztg. 1886, S. 502.