Begriff und Erforſchung der nationalen Kunſt.
Von Coriolan Petranu (Klauſenburg-Cluj).*)
Die nationalen Eigentümlichkeiten der Kunſt intereſſierten von Anfang
an die genetiſhe Kunſtgeſhihte. Winkelmann behandelt in ſeiner
„Geſchichte der Kunſt des Altertums“ unter den Urſachen der Verſchieden-
heit der Kunſt unter den Völkern auh den „nationalen Charakter.“ Wa a-
gen, Kugler, aber beſonders Schnaaſe ſind diesbezügli<h von Bedeu-
tung. Bei dieſem leßteren ſteht der „Geiſt der Nation“, d. h. die geiſtige
Eigentümligfeit ſogar an erſter Stelle. Jhm gegenüber bleibt au<h W i n-
felmann zurüd. Das Problem interejjierte immer wieder die Kunſthiſto-
riker der nachfolgenden Generationen, ohne daß der Begriff der nationalen
Kunſt ſih geklärt oder die Methode der Erforſchung ſi ausgebildet hätte.
Die nationale Jdee beherrſht die heutige Welt wie kaum zuvor, ſie war
der Leitgedanke des Weltfriedens,!) es iſ alſo kein Wunder, wenn die
Kunftgeihichte nad) einer Jahrzehnte dauernden, dur die Naturwijjen-
Ihafter: beeinflußten formanalyjierenden Periode fi) wieder der Erforſchung
der nationalen Kunſt zugewendet hat. Wir ſind uns heute deſſen bewußt,
daß „das Nationale zu verflüchtigen eine Verſündigung an der Menſchheit
wäre und an der Natur, die es geſchaffen hat.‘2)
Eine beſondere Förderung erhielt die Forſhung der nationalen Kunſt
durch die Arbeiten des 13. Kunſtgeſchihtlihen Kongreſſes von Stodholm.>)
Die nationalen Merkmale der Kunſt verſchiedener Nationen wurden heraus-
gearbeitet, wobei au< Methodiſhes zum Ausdru> kam. Vogelſang
unterwarf dieſe Arbeiten einer Kritik, die von prinzipieller Bedeutung iſt;
er fordert vor allem eine einheitliche, klare Formulierung der „National-
kunſt“. Verſuchen wir auf diefem Wege weiterzubauen! Nationale Kunſt
iſt die Kunſt einer Nation und zwar eine ſolche, die beſtimmte unterſchei4
dende Merkmale der Kunſt anderer Nationen gegenüber beſit. Nun iſt
es aber nötig, den Nationsbegriff klarzulegen, d. h. aus der unüberſehbaren
Fülle fi einer für uns brauhbaren Definitionsgruppe anzuſchließen. Wir
brauchen prinzipiell eine Definition, die keiner Nation Unrecht bezüglih
ihrer Nationalkunſt tut. Wir ſind uns darüber einig, daß die Grenzen der
nationalen Kunft nicht zugleid den Staatsgrenzen von einſt und jeht ent-
ſprehen müſſen. Daher dürfen wir niht den politiſhen Staat
und die politiſche Nation, ſondern das Völkiſche, das Et h-
nijde als naturgegebene Einheit als Ausgangspunkt
und „Schwerpunkt“ betrachten, oder im Sinne Meinedest) die
„Kulturnation“, welcher ein gemeinſam erlebter Kulturbeſitz eigen iſt, deſſen
wichtigſte Elemente gemeinſame Sprache, gemeinſame Literatur und gemein--
ſame Religion iſt. Die in der jüngſten innerdeutſhen Gegenwart ſtark her-
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