I. Abschnitt
Die Abbildung auf vertikaler Bildebene.
Wenn wir von dem verhältnismäßig seltenen Talle der perspek-
tiuischen Darstellung von Gebäudeteilen auf der magerechten Decke
eines Saales einstweilen absehen, dürfen wir sagen, daß die vertikale
Bildebene die allein wichtige ist. Sie ist auch die naturgemäße, da
im normalen Falle unser Blick wagereckt gerichtet ist und wir die
Bildebene stets zur Richtung des Blickes rechtwinklig legen. Tm Fol
genden sollen nun die Gesetze der Abbildung auf vertikaler Ebene ab
geleitet werden.
Erstes Kapitel.
Die Herstellung des Bildumrisses.
§ 4. Hauptpunkt (Augenpunkt), Fluchtpunkt, Distanzkreis,
Horizont, Distanzpunkte.
lOas im § 3 als für die Bildebene in allgemeiner Gage gültig abge
leitet wurde, das gilt natürlicherweise unverändert auch für den beson
deren Fall, die vertikale Bildebene. Der Haupt- oder Augenpunkt ist
der Durchstoßpunkt des vorn Auge auf die Bildebene gefällten Perpen
dikels; er ist der Fluchtpunkt der zur Bildebene senkrechten, jetzt also
horizontalen Geraden und liegt in unserem Falle offenbar in gleicher
Höhe mit dem Auge. — Der Fluchtpunkt einer Geraden wird, wie
immer, gefunden, indem man durch das Auge eine Parallele zu der
Geraden zieht und mit der Bildebene schneidet.
Die Begrenzung des Bildes einer unendlich langen Geraden durch
den Fluchtpunkt ist ein außerordentlich einfaches und anschauliches
geometrisches Beispiel für die endliche Summe einer konvergenten un
endlichen Reihe. Denken wir uns, von einem beliebigem Punkte an
gefangen, auf einer sich nach hinten in’s Unendliche erstreckenden
Geraden unendlich viele gleiche Feile von ganz beliebiger Größe auf
getragen, so werden ihre Bilder immer kleiner und kleiner werden.