712 Von den tönenden Körpern.
Kurze Ansatzröhren bringen also keine merkliche Veränderung der Tonhöhe
hervor; bei allmählicher Verlängerung der Röhre wird aber der Ton tiefer,
und zwar bis zur nächst niederen Oktave des Anfangstones, um dann für
eine bestimmte Länge ! (im vorliegenden Falle 440,6 mm) wieder auf den
Ton zurückzuspringen, welchen die Zunge für sich allein gibt.
Die Länge I (hier 440,6 mm) ist die Länge einer offenen Pfeife, deren
Grundton unisono ist mit dem Tone, welcher der Schwingungszahl der nur
unter dem Einflusse ihrer Elastizität vibrierenden Zunge entspricht.
Eine Verlängerung der Röhre über die Länge I hinaus macht, daß der
Ton abermals tiefer wird, und zwar in unserem Falle bis d! für die Röhren-
länge 866,3mm, um für 2/7 (hier 881,2 mm) zum zweiten Male auf den
ursprünglichen Ton zurückzuspringen.
Kurz, der Ton der Zungenpfeife ist für die Röhrenlängen I, 21, 31 usw.
derselbe wie ohne Ansatzrohr, während jede andere Länge der Ansatzröhre
den Ton der Zungenpfeife tiefer macht, wenn sie durch Einblasen
von Luft in die Windlade zum Tönen gebracht wird, wie es bei den
eben besprochenen Versuchen der Fall war.
Wird dagegen die Zungenpfeife dadurch zum Tönen gebracht, daß die
Luft aus der Windlade ausgesaugt wird, so hat das Ansetzen von
Röhren eine Erhöhung des Tones zur Folge.
Der Grund dieser Erscheinung ergibt sich aus folgender Betrachtung.
Fig. 772 stelle eine an beiden Enden offene Röhre dar, welche eine im
Zustande stehender Schwingungen sich befindliche Luftsäule enthält. Schwin-
gungsknoten befinden sich in k und %', Bäuche dagegen in b und an den
Enden der Röhre in b’ und b".
Der Ton dieser Pfeife wird nun keinerlei Änderung erfahren, wenn an
irgend einer Stelle im Innern der Röhre ein Scheibehen angebracht wäre,
dessen Ebene rechtwinkelig auf der Röhrenachse steht und welches genau
dieselben Oszillationen machte, welche einer an dieser Stelle befindlichen
Luftschicht infolge des Tönens der in der Röhre eingeschlossenen Luft-
säule zukommen. An die Stelle dieses Scheibchens könnte aber auch ohne
merkliche Änderung eine in gleicher Weise oszillierende Zunge eingesetzt
werden.
Es sei nun eine solche Zunge in der Röhre Fig. 772 bei 2 zwischen
dem Schwingungsknoten %' und dem Bauche angebracht, welche so ein-
gerichtet ist, daß sie die Verbindung zwischen dem oberen und unteren Teile
der Röhre absperrt, während sie aus ihrer Gleichgewichtslage nach oben
(also in Beziehung auf den oberen Teil der Röhre nach innen) entfernt ist,
daß dagegen die Verbindung zwischen der Luft im oberen und unteren Teile
der Röhre hergestellt ist, während die Zunge nach unten (bzw. nach außen)
gebogen ist.
Die Zunge z wird sich aber von ihrer Gleichgewichtslage nach unten
(außen) bewegen müssen, während die benachbarten Luftschichten infolge der
stehenden Wellen in der Röhre gleichfalls von einer nach unten gerichteten
Bewegung affiziert sind, während sich also beim Knoten k eine Luftverdich-
tung bildet. Während der äußeren Schwingung der Zunge ist es offenbar
einerlei, ob die Luft unmittelbar über z mit der bei %' verdichteten Luft im
unteren Teile der Röhre b'b” oder mit der gleich verdichteten Luft in der
Windlade, W, Fig. 778, kommuniziert; während der inneren Schwingung der