300 III. Abschnitt. Die Theorie der Störungen.
Kleinheit der Breitenstörungen wegen vernachlässigt wird. Jede Be
obachtung giebt eine Bedingungsgleichung zwischen diesen fünf Un
bekannten und da eine grosse Anzahl von Beobachtungen vorhegt,
werden sie in Gruppen getheilt. In der complicirtesten Form erscheint
natürlich die grosse Achse und macht deshalb Leveerieb, das soge
nannte BoDE’sche Gesetz als einzigen Anhalt benutzend, die Annahme,
dass sie doppelt so gross sei, wie die des Uranus. Hierauf werden
endlich die vier noch bleibenden Unbekannten bestimmt. Schliesslich
findet er durch Versuche, dass eine Verringerung in dem angenom
menen Werth der grossen Achse die unvermeidlichen Fehler noch
verringert und zum Schlüsse bestimmt er die Grösse dieser Vermin
derung und damit die Endwerthe der Elemente.
Unzweifelhaft wäre Leveeeier zu viel genaueren Resultaten ge
langt, wenn er nicht, durch das BoDE’sche Gesetz verleitet, von An
fang an einen viel zu grossen Werth für die grosse Achse des unbe
kannten Planeten angenommen hätte. Es ist klar, dass er mit dem
Wachsthum derselben auch die Masse des Planeten wachsen lassen
muss, weil der unbekannte Planet und Uranus angenähert dieselbe
Länge besassen und daher eine Vergrösserung der Achse die Ent
fernung beider vergrösserte, also die Anziehung nach dem Newton-
schen Gravitationsgesetz schwächte. Hieraus erklärt sich auch, dass
er für die Masse einen ungefähr doppelt zu grossen Werth erhält
und daher alle Elemente mit Ausnahme der mittleren Länge, also
des wichtigsten, weil den Ort am Himmel bestimmenden Elementes
ganz falsch herauskommen.
Dasselbe gilt von den Elementen des Astronomen Adams, der seine
Untersuchungen in der Arbeit: An Explanation of the observed irre-
gulations in the motion of Uranus (Memoires of the Royal Society of
London 1847) veröffentlichte. Da er einen noch grösseren Werth für
die grosse Achse erzielte, war die von ihm gefundene Masse noch
grösser als die von Levereier. Da er seine Resultate einige Monate
früher dem Astronomen Airy mittheilte, als die Untersuchungen Le-
vereier’s erschienen, so wäre der neue Planet unzweifelhaft früher
mit Hilfe des Fernrohres entdeckt worden, wenn nicht Airy Zweifel
in die Richtigkeit der ADAM’schen Resultate gesetzt und deshalb eine
Durchmusterung der betreffenden Himmelsgegend unterlassen hätte.
So hat auch hier wieder das Newton ’sehe Gravitationsgesetz die
beste Prüfung auf seine Richtigkeit bestanden, indem es eine Ent
deckung veranlasst hat, welche sonst vielleicht noch viele Jahre hätte
auf sich warten lassen.