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giltig, ob ihm die von der allerhöchsten Stelle ausgegangene
Weisung in aller Feierlichkeit oder in unscheinbarerer Form
zugemittelt worden war. Er hatte den Befehl hingenommen
und ihm zu gehorsamen versprochen; von irgendwelcher Reser
vation, daß der Vortrag der angefochtenen Lehre unter Be
obachtung gewisser Vorsichtsmaßregeln gestattet sein solle,
war keine Rede gewesen. Nun hatte er seinen Dialog ganz
eben dieser bedenklichen Doktrin gewidmet, und wenn er dar
aus hätte Hinweisen wollen, daß sich ja nirgendwo ein positiver
Ausspruch zu deren gunsten vorfinde, so mochte ihm mit
Fug geantwortet werden, das dünne Mäntelchen, welches er
des Scheines halber vorgehängt habe, sei doch auch für das
blödeste Auge leicht zu durchdringen, und indem er den Ver
fechter des kirchlich approbierten Systems zu unaufhörlicher
Niederlage verdammte, habe er zu seiner so gut wie offenen
Auflehnung auch noch Spott und Hohn hinzugefügt. So into
lerant und verwerflich uns auch jene Denkweise erscheinen
mag, welche zu Bellarmins Vorgehen geführt hatte, so war
sie eben doch die allgemein anerkannte und auch von Galilei
selbst nicht eigentlich bestritten worden. Wenn mithin die
modernen Verteidiger des päpstlichen Stuhles sich allein aus
den rechtlich formalistischen Standpunkt stellen, wie dies vor
nehmlich Grisvr thut, so wird man ihren Ausführungen eine
gewisse Berechtigung nicht aberkennen können. Galilei hatte,
wenn man sein Verhalten vor das Forum einer freien Welt
anschauung zieht, durch die Veröffentlichung seines Werkes
nicht nur eine erlaubte, sondern eine große und gute That
gethan — dem herrschenden Gesetze gegenüber, mit dem er als
guter Katholik ja doch im Einklänge leben wollte, hatte er aber
schwer gefehlt, und wenn ihn darob eine Strafe traf, so durfte er
kaum darüber sich beklagen Freilich, so drakonisch, wie sie
ausfiel, hätte sie auch nach den Satzungen des geistlichen Rechtes
nicht ausfallen müssen, wenn nicht eben sehr menschliche und per-
sönlicheBeweggründe beimAusmaßederStrasemitgewirkthätten.