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hatte, sondern ein körperlich gebrechlicher Greis, dem der Gedanke,
er könne sich wirklich gegen die von ihm doch immer verehrte
Kirche vergangen haben, die schwersten Skrupel verursachte.
Und nun war auch durch verschiedene Kanäle die Nachricht Zu
ihm durchgedrungen, daß man etwas sehr ernstliches gegen
ihn im Schilde führe; darf man sich da wundern, wenn er
körperlich und geistig zusammenbrach und sich allerdings ganz
anders benahm, als es hie stolze Devise „Männerstolz vor
Königsthronen" gefordert hätte?
Zumal Niccolini war seit einer Audienz, welche ihnr Urban
am 18. Juni gewährt hatte, davon unterrichtet, daß von einer
nicht bloß sormellen Bestrafung ans keinen Fall Umgang ge
nommen werden werde 18 °), aber ob er feinen Schützling von
dieser unwillkommenen Nachricht in Kenntnis setzte, das muß
dahingestellt bleiben. Die Inquisition war zu der Ansicht
gekommen, daß einige der von den theologischen Beurteilern
herausgehobenen Sätze des Dialoges nicht nur den Verdacht,
sondern den objektiven Thatbestand der Häresie begründeten,
und nun war zu ermitteln, ob diese Äußerungen wirklich auch
auf eine „ketzerische Intention" schließen ließen. Die Art und
Weise der Befragung war durch die Prozeßordnung so genau
vorgeschrieben, daß im Einzelfalle die Richter sofort wußten,
was zu thun luai' 181 ). Gab der Delinquent feine Schuld
unumwunden zu, so konnte ohne weiters mit einer dem Grade
dieser Schuld angemessenen Strafverfügung vorgegangen werden,
aber wenn er beharrlich die böse Absicht in Abrede stellte, so
rrat die peinliche Befragung in ihre Rechte. Leichthin wurde
übrigens nicht zur Folter geschritten, sondern es mußte über
deren Zulässigkeit erst noch eine Konsultoren-Sitzung abgehalten
werden, und ausdrücklich war eingeschärft, daß die Tortur-
eben nur als das allerletzte Mittel zur Erforschung der Wahr
heit, wenn jedes andere versage, angewendet werden dürfe.
Dagegen gab es nicht, wie vor den weltlichen Gerichtshöfen,
Privilegien, welche von vornherein die Anwendung der Folter