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Maßstabe zu messen berechtigt sind, ziemlich milde ausfallen.
Man darf jedoch behaupten, daß Galileis eigentliches Mar-
tyrium, um diesen vielgebrauchten Ausdruck auch hier zu ver
wenden, erst mit der Entlassung aus der nicht drückenden
Hast des geistlichen Gerichtes 220 ) seinen wahren Anfang uahni.
Niemals in seinem ganzen künftigen Leben, welches immer
noch fast neun Jahre umfaßte, konnte er des niederdrückenden
Gefühles, das Argusauge eines unversöhnlichen Feindes auf
sich gerichtet zu sehen, sich entschlagen, und auch materiell
wußte diese Oberaufsicht sich so zu bethätigen, daß der immer
hilfloser werdende Greis auf das fchwerste darunter litt.
Die Abneigung des Papstes, dessen Regierungsdauer noch
dazu eine in der Papstgefchichte selten lauge war, verfolgte
den Unglücklichen unausgesetzt, und alle Bitten wohlgesinnter
Mittelspersonen vermochten diesen eisernen Willen nicht zn
brechen.
Gleich am Tage nach Ableistung des Schwures erhielt
Galilei die Erlaubnis, seine alte Wohnung im Gesandtschafts
gebäude wieder zn beziehen, und am 24. Juni holte ihn Niccolini
dorthin ab-J. Auf dessen Fürbitte wurde dem Verurteilten
bald nachher gestattet, sich nach Siena zu begeben, und nach
dreitägiger Reise — er legte einen Teil des Weges absichtlich
zu Fuße zurück — kam er daselbst am 9. Juli bei seinem
Freunde, deut Erzbischöfe Ascanio Piccolomini^), au. Bei
diesem Ehrenmanne war Galilei wohl geborgen, aber es drängte
ihn doch, wieder nach Florenz zu kommen, und auch der Groß
herzog wünschte lebhaft, seinen Hofmathematiker wieder zn
erhalten. Allein so weit war die respektvolle Scheu vor dein
Gewaltigen in Rom bereits gediehen, daß Cosimo II. auf
Niccoliuis Erinnerung, man dürfe den Papst zur Zeit noch
nicht mit solchen Wünschen behelligen, sich für eine Politik des
Zuwartens entschied 223 ). Der Gesandte erwies sich, trotzdem
er eine ängstliche Natur war, doch immer als wahrer Freund
und ließ keine irgend geeignet scheinende Gelegenheit vorüber-