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längere briefliche Unterredung mit seinem alten Freunde und Lehrer
Hafenreffer über diesen Gegenstand, und dieser, der zwar für seine
Person alles eher als ein Heißsporn war, als Tübinger Professor
aber an dem herrschenden Dogma in aller Strenge festzuhalten sich
verpflichtet fühlte, legte die aus Linz eingelaufenen Zuschriften
seiner Fakultät und, durch diese, der obersten Kirchenbehörde in
Stuttgart vor. Darauf erging ein Antwortschreiben au Hafenreffers
Kollegen Osiander, und darin hat der auf unseren Helden bezüg
liche Passus nachstehenden Wortlaut (O. O., 8. Bd., S. 865):
„Betreffend Llepplerum hat man nunmehr mit selbigem Schwindel-
hirnliu lang gchaudlet, aber vergebenlich, und laßt er ihm uit sagen.
Wir haben uit unterlassen wollen, den Herrn Theologis Tubing.
zu commuuicireu, was ihme vom Consistorio auß vor ettlich jaren
eben de lmo ipsa materia zugeschrieben worden, ob es den Herrn
belieben möchte, ihn auff gleichen schlag abzufertigen, man kann doch
keiner anderen Meinung umb seines letzköpflins wegen werden. Wir
hetteu aber gern, das uns dis; concept ad Acta gehörig wider zu-
geschickht würde. Möchten hingegen, si ita placeret Dominis nostris,
gar gern auch lesen, was dieselbige et v. Mentzero et Kepplero 31t
antworten gemeint liieren. Damit vil gnad und fegen von Gott.
Stuttg. 1. Juli ao. 1619." So urteilten die Stuttgarter Kirchen
lichter über das größte Geisteslicht, w.elches in diesem Jahrhundert
auf deutschem Boden erstrahlte. (ir >) Über diese zweite Heirat spricht
sich Kepler (O. £)., 8. Bd., S. 809) selbst des näheren aus.
"<>) Das au eine unbekannte Adressatin gerichtete Schreiben läßt
uns einen unerfreulich tiefen Einblick thun in die Ränke, welche
von übelwollenden Leuten gegen Kepler und seine Heiratspläne ge
sponnen wurden (O. O., 8. Bd., S. 811 ff.). « 7 ) In einem
Schreiben au den ihm befreundeten Herrn v. Strahlendorff giebt
Kepler (O. O., 8. Band, S. 820) von seiner Verlobten folgende
Eigenschaften an: „forma, mores, Corpus attemperata ad mea,
uullus fastus, nulla sumptuositas, laborum patientia, scientia
mediocris regendae domus, aetas media“ — sie war achtzehn Jahre
jünger als der Bräutigam — „anirnnsque capax ejus, quod adhuc
deest,“ «8) O. O., 8. Bd., S. 829. «») Ebd., 8. Bd., S. 832.
„Rater ad ine venit 13. Decembri.“ <°) Keplers An
schauung über die „Landmappe" giebt ein von ihm niedergeschriebenes,
nach der Ansicht moderner Geographen freilich nicht auf der Höhe
seiner sonstigen Denkweise stehendes Gutachten wieder, welches
Frisch (O. O., 8. Bd., S. 834 ff.) vollinhaltlich zum Abdrucke
gebracht hat. 71 ) Aus einem Briefe au Roffeni (Mai 1617;
O. £., 8. Baud, S. 662 ff.) geht hervor, daß Kepler au Magiuis
Ttelle einen vorteilhaften Ruf nach Bologna empfangen hatte. Der
Antrag war lockend, aber der Berufene glaubte ablehnen zu müssen.
Der deutsche Protestant besorgte, sich im katholischen Welschlaud nicht
eingewöhnen zu können. <-) Die auf den Prozeß bezüglichen Briefe
und Aktenstücke hat Frisch im achten Bande der Gesamtausgabe