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Kreis- und Ringmikrometer.
dem gegenwärtigen Stand der Präcisionsmechanik die mechanischen Fehler
solcher mehr oder weniger einfachen Netzconstructionen äusserst klein sein
werden, so erklärte doch Fraunhofer es noch für unmöglich, einer Raute eine
bestimmte Form in dem Grade genau zu geben, wie es zu guten Beobachtungen
nöthig sei, und dies wird in bedeutend grösserem Maasse für die Mikrometer
des vorigen Jahrhunderts gelten, die nicht selten von den Beobachtern selbst
hergestellt werden mussten. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass manche ältere
Beobachtungsresultate merklich an Genauigkeit gewinnen wurden, wenn sie von
den Fehlern in der Form, wie in der Justirung des Netzes befreit werden könnten,
und jedenfalls wird man bei der Beurtheilung der Sicherheit solcher Beob
achtungen auf das Bestehen derartiger Fehler Rücksicht nehmen müssen. Als
ein Beleg hierfür mag es genügen, auf die Untersuchungen von Argelander 1 * )
über die oben erwähnten Beobachtungen Lacaille’s und auf die eingehende
Prüfung hinzuweisen, der Fabritius 3 ) eines der von Lacaille benutzten Netze, —
den Reticulus medius, eine Raute von dem Diagonalenverhütniss 1:2 — unter
zogen hat.
Kreis- und Ringmikrometer.
Von der obigen Beschränkung frei und an keine besondere Aufstellung des
Fernrohrs gebunden, zeichnet sich das Kreismikrometer auch durch seine ein
fache Construction vor den anderen Formen aus. Nach dem von G. Bigourdan 3 )
erbrachten Nachweis muss die Priorität der Idee, die Kreislinie für mikrometrische
Zwecke zu benutzen, Lacaille zugeschrieben werden, der im Jahre 1737 auf
die Vortheile, welche sie gewährt, aufmerksam gemacht hat; auf der anderen
Seite scheint es aber zweifellos, dass unabhängig von Lacaille der Italiener
Boscovich auf dieselbe Idee gekommen ist. Wenigstens setzt Boscovich in
seiner im Jahre 1739 in Rom unter dem Titel: »De nono telescopii usu ad
objecta coelestia determinanda« erschienenen Abhandlung den Gebrauch des
Mikrometers auseinander und hebt insbesondere mit Rücksicht auf den in jenem
Jahr erschienenen Kometen den Vorzug hervor, dass das neue Mikrometer keiner
künstlichen Beleuchtung bedürfe. In seiner ursprünglichen Form war das Kreis
mikrometer nichts anderes, als der von dem letzten Diaphiagma gebildete, das
Gesichtsfeld des Fernrohrs begrenzende Kreis, und ein halbes Jahrhundert ver
ging, bis nahe gleichzeitig Köhler und J. G. Repsold der leeren Kreis durch
einen in der Bildebene aufgehängten und genau abgedrehten schmalen Ring
von Messing ersetzten; es wurde dadurch zugleich der Vortheil erreicht, dass
der Beobachter auf die Zeit des Appulses des Objectes ai den Ring gehörig
vorbereitet war. Der neue und bequeme Apparat fand bald eine weite Ver
breitung, besonders nachdem Olbers und Bessel seine grosse Brauchbarkeit
durch zahlreiche eigene Beobachtungen erwiesen und besondere Regeln für die
zweckmässigste Benutzung auf theoretischem Wege abgelebet hatten. Auch in
der Herstellung wurden, namentlich von Fraunhofer, neue und erhebliche Ver
besserungen eingeführt. Fraunhofer bohrte in ein dünnes Planglas eine runde
Oeffnung und befestigte darin einen schmalen stählernen Ring, indem er
mittelst des Polirstahls den vorstehenden Rand umlegte und hierauf den
*) Bonner Beobachtungen, Bd. VII.
a ) F. W. Fabritius, Untersuchungen über Lacaille’s Reticulus nedius. Helsingfors 1873 .
3 ) Bulletin Astronomique. Août 1895 .