Full text: Theorie der Mikrometer und der mikrometrischen Messungen am Himmel

Lichtbild-Mikrometer. 
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Lichtbild-Mikrometer. 
Mit diesem Namen werden die Mikrometer bezeichnet, bei welchen die 
Messvorrichtung ausserhalb der Bildebene des Objectivs liegt und nur ein Bild 
derselben in der Focalebene erzeugt wird. Es ist eine in der Beugung des 
Lichtes begründete Erscheinung, dass, wenn man einen materiellen Faden mit 
dem Rande des Bildes einer erleuchteten Scheibe in Berührung zu bringen ver 
sucht, das Licht an den Faden gleichsam abfliesst und der Faden, statt den Rand 
zu berühren, ihn bedeckt; die scheinbare Berührung findet schon statt, wenn 
in Wirklichkeit der Faden noch einen gewissen Abstand von der Scheibe hat. 
Eine ähnliche störende Erscheinung tritt auch bei Fixsternen auf, indem das 
Bildchen bei der Bisection durch den materiellen Faden deformirt und in 
der Richtung senkrecht zum Faden verlängert wird. Es wird so bisweilen un 
möglich, die Distanzen enger, aber sonst noch deutlich trennbarer Doppelsterne 
mit Sicherheit zu messen, weil der Raum zwischen den beiden Componenten 
mit gebeugtem Licht angefüllt wird. Man würde diesen Uebelständen begegnen 
können, wenn sich in der Bildebene statt des eigentlichen Mikrometers nur ein Bild 
desselben befände, denn es würden damit die Bedingungen für das Auftreten von 
Beugungserscheinungen wegfallen und das Bild des Fadens könnte ungestört mit dem 
Bilde des Objectes in Berührung gebracht werden. Der erste Versuch, ein 
Lichtbildmikrometer zu construiren, rührt von C. A. Steinheil aus dem Jahre 1827 
her; zwar verfolgte Steinheil dabei noch nicht den Zweck, den er bei seinen 
späteren Vorschlägen im Auge hatte, die störenden Diffractionserscheinungen zu 
vermeiden, vielmehr sollte jenes Mikrometer nur dazu dienen, den Astronomen, 
welche auf Veranlassung der Berliner Akademie der Wissenschaften mit der 
Herstellung neuer Sternkarten beschäftigt waren, ein bequemes Hülfsmittel für 
die angenäherte Ortsbestimmung von schwächeren Sternen an die Hand zu geben. 
Steinheil 1 ) befestigte auf dem Objectiv seines Fernrohrs ein zweites kleineres 
Objectiv und brachte in seine Focalebene ein rechtwinkliges Netz, welches aus 
einem Silber- oder Elfenbeinplättchen ausgeschnitten war und durch ein seitlich 
befindliches Licht erleuchtet wurde. Auf diese Weise erhielt man zugleich mit 
den Bildern der Sterne ein leuchtendes Bild des Netzes und konnte die relative 
Lage zweier Sterne mit der hier erforderlichen Genauigkeit abschätzen. Die 
Mängel dieser Vorrichtung, deren grösster darin bestand, dass ein nicht unbe 
deutender und gerade der centrale Theil des Hauptobjectivs verloren ging, wenn 
das zweite Objectiv ein hinreichend helles Bild des Netzes entwerfen sollte, 
waren nicht zu verkennen, und sie veranlassten Steinheil zu einer Reihe von Ab 
änderungsvorschlägen, welche zugleich den Zweck verfolgten, das Lichtbildmikro 
meter auch für Präcisionsmessungen geeignet zu machen. Diese Aenderungen 
laufen im Wesentlichen auf eine andere Anordnung der einzelnen Theile hinaus. 
So wurde das kleine Objectiv nicht mehr vor das Hauptobjectiv gesetzt, sondern 
zwischen diesem und dem Ocular, jedoch ausserhalb des Strahlenkegels und mit 
der Achse senkrecht zur Achse des Beobachtungsfernrohrs angebracht; vor ihm 
wurde ein unter 45° geneigter kleiner Metallspiegel oder ein kleines Glasprisma 
befestigt, welches in den Lichtconus des Hauptobjectivs eingriff und das Bild 
des Netzes in die Bildebene des Fernrohrs brachte. Wurde das Mikrometer- 
objectiv mit einem Ocular versehen, so konnte die Messvorrichtung sich in be 
liebigem Abstand von demselben befinden und daher auch in grösserem Maass 
stab hergestellt werden. Man war so im Stande, hell leuchtende gerade Linien *) 
*) Astr. Nachr. Bd. 5 .
	        
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