Full text: Allgemeine Himmelskunde

Von der Rotation der Erde. 
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über und erhielt sich mehr oder weniger allgemein bis zum Anfänge des 
16. Jahrhunderts, in welchem über die Gestalt der Erde bereits richtigere Ansichten 
verbreitet und die Kugelgestalt derselben als die wahre erkannt worden war. 
Durch die Jahrtausende, während welcher jene Ansicht herrschend gewesen, 
hatte sie eine gewisse Unverletzlichkeit erhalten, und dies, sowie religiöse Vor- 
urtheile, namentlich eigenthümlich ausgelegte Stellen der Bibel, trugen nicht 
wenig dazu bei, einer richtigeren Anschauungsweise hindernd in den Weg zu 
treten, so daß Stimmen Einzelner, wonach nämlich die Erde sich bewege und 
der Himmel ruhe, selbst bei besseren Köpfen ihre Wirkung verfehlten. Man 
konnte sich nun einmal von der Vorstellung nicht losmachen, die Erde, die 
man als den Mittelpunkt der Schöpfung anzusehen sich gewöhnt hatte, als 
ruhend, und den Himmel als sich um die Erde bewegend anzusehen, zumal 
von einer Bewegung der Erde doch gar nichts verspürt wird. 
Und doch zeigt der Himmel selbst an Körpern, die der Erde verwandt 
sind, nämlich an manchen Planeten, und sogar an der Sonne, Achsen 
drehungen, freilich nicht dem unbewaffneten Auge, sondern nur dem durch das 
Fernrohr geschärften. Mit der Entdeckung dieses werthvollen Instrumentes im 
Anfänge des 17. Jahrhunderts mehrte sich deshalb auch die Zahl derjenigen, welche 
die Rotation der Erde wenigstens für möglich hielten. Es giebt aber auch nega 
tive und positive Beweise, welche die Rotation der Erde für den Vorurtheils- 
freien außer Zweifel setzen. Diese Beweise sollen im Folgenden gegeben werden. 
I. Negative Beweise für die Achsendreliung der Erde. 
Als negative Beweise für die Achsendrehung der Erde sind die folgenden 
anzusehen. 
1. Die Art der Bewegung der Sterne. Bei dem täglichen Um 
schwünge des Himmels werden von den verschiedenen Sternen Kreise be 
schrieben, die von den Polen bis zum Aequator fortwährend an Größe zuneh 
men und unter einander parallel laufen, und alle diese Kreise werden von den 
Fixsternen mit vollkommen gleichmäßiger Geschwindigkeit in 24 Stdn. durch 
laufen. Ständen alle Sterne, wie die Alten sich vorstellten, an der Fläche 
eines kugelförmigen Gewölbes, so müßte diese Erscheinung unbedingt statt 
finden, wenn anders eine Kraft vorhanden wäre, die diese Kugelfläche um die 
Erde herumführte. Wir wissen aber, daß die Sterne nur scheinbar an einer 
Kugelfläche stehen, in der Wirklichkeit aber eine sehr ungleiche Entfernung 
von der Erde haben. Jedenfalls muß es befremden, daß die so ungleich ent 
fernten Weltkörper, die außerdem auch gewiß eine ebenso ungleiche wahre 
Größe besitzen, in der angegebenen Weise und genau in derselben Zeit um die 
Erde geführt werden sollten, und dies allein schon macht die Bewegung des 
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