Full text: Allgemeine Himmelskunde

Von der Rotation der Erde. 
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3. Verhältnisse derselben bei einer rotirenden Kugel. Eigen 
tümliche Verhältnisse treten ein, wenn der rotirende Körper eine Kugel ist. 
Jeder Punkt der Kugel mit alleiniger Ausnahme der in der Drehungsachse 
gelegenen Punkte beschreibt bei der Rotation einen Kreis, der um so größer 
ist, je weiter der betreffende Punkt von der Achse entfernt ist. Dadurch ist 
die Entstehung einer für verschiedene Punkte verschiedenen Schwungkraft be 
dingt, und zwar verhält sich dieselbe für zwei beliebige Punkte, wie die 
durchlaufenen Kreise, und da diese sich wie ihre Halbmesser verhal 
ten, so muß bei einem Kreise von 2, 3, 4fachcm Halbmasser auch eine 2, 3, 
4 fache Schwungkraft wirksam sein. Den größten Kreis der Kugel durchlaufen 
alle die Punkte, welche in der Mitte zwischen den beiden Polen liegen, und 
daraus folgt, daß diese Punkte das größte Bestreben haben müssen, sich von 
der Achse zu entfernen. Ist die rotirende Kugel aus einem Stoffe, dessen 
Theile so stark Zusammenhängen;, daß der Zusammenhang der Theile größer 
ist als die Schwungkraft, so kann der Körper seine Kugelgestalt nicht ändern. 
Wählt man aber einen Stoff, dessen Theile nur lose verbunden sind, so kann 
er die Kugelgestalt nicht beibehalten, sondern es muß eine Massenanhäufung 
zwischen den beiden Polen, dagegen eine Abplattung an diesen stattfinden, 
oder mit andern Worten: die Kugel muß die Gestalt eines Ellipsoids, d. h. 
eines Körpers annehmen, den man sich durch Rotation einer Ellipse um den 
kleinsten ihrer Durchmesser entstanden denken kann. Sehr gut läßt sich ein 
solcher Versuch mit einer Kugel aus weichem Ton anstellen. Setzt man eine 
solche auf eine Töpferscheibe, so nimmt man bei schneller Drehung die an 
gedeutete Abplattung sehr deutlich wahr. 
4. Anwendung auf die Erde. Wenn nun die Erde wirklich eine Ro 
tation besitzt und zur Zeit, da sie dieselbe erhielt, in einem mehr oder weniger 
flüssigen Zustande sich befand, in dem sie fähig war, der Schwungkraft nach 
zugeben — und zahlreiche Thatsachen sprechen für die Richtigkeit dieser An 
nahme — so kann sie keine vollkommene Kugel geblieben sein, sondern sie 
muß nach Maßgabe der Schwungkraft an den Polen eine Abplattung und damit 
in den Aequatorialgegenden eine Massenanhäufung erfahren oder die Gestalt 
eines Ellipsoids angenommen haben. Wäre man im stände, dies als wirk 
lich bestehend nachzuweisen, so wäre damit die Achsendrehung der Erde be 
wiesen. 
Wie aber ist es möglich, sich zu vergewissern, daß die Erde eine abge 
plattete Gestalt wirklich besitzt? 
Die folgenden Betrachtungen werden zum Verständnis des zur Beantwor 
tung dieser Frage eingeschlagenen Verfahrens dienen. 
5. Die Erde und die Himmelskugel sind als concentrische 
Kugeln zu betrachten. Die Erde ist eine frei im Weltenraume schwebende 
Kugel. Dieser stellt sich uns aus optischen Gründen ebenfalls als eine Kugel 
dar, in deren Mittelpunkt die Erde zu stehen scheint. 
Wenn wir uns nämlich über die Entfernung der Dinge auf der Erdober
	        
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