Von der Rotation der Erde.
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mung der Meridiane am geringsten ist, also an den Polen, am schnellsten hin
gegen in den Gegenden der größten Krümmung, am Aequator.
Von der Richtigkeit des Gesagten kann man sich leicht durch folgendes
einfache Verfahren überzeugen. Man nehme ein recht biegsames Lineal, viel
leicht von Fischbein, und befestige in gleichen Entfernungen von einander eine
Reihe senkrechter Stifte auf demselben, so daß das Ganze etwa die Gestalt der
nebenstehenden Fig. 28 hat. Offenbar
werden die Stifte einander parallel
sein. Biegt man aber das Lineal um
eine Kugel, so hört der Parallelismus
der Stifte auf, und alle divergiren
nach oben oder entfernen sich von
einander, und zwar wegen der gleich
mäßigen Krümmung der Kugelober
fläche gleich weit. Es werden sich
also die Verhältnisse wie in Fig. 29
gestalten.
Legt man hingegen das Lineal um
eine an den Polen abgeplattete Kugel,
so werden zwar die Stifte auch nach
oben divergiren, aber nicht mehr
gleichmäßig. Die oberen Enden wer
den da am weitesten auseinandertreten,
wo die Krümmung am größten ist,
1 ig■ 90. am wenigsten in der Gegend
der kleinsten Krümmung,
wie dies in Fig. 30 zu er
kennen sein wird.
Wenden wir dies auf die
Erde an! Die Stifte können
unsere Stellung auf der Erd
oberfläche oder unsere Ver
tikalen bedeuten. Wäre die
Erde eine ebene Scheibe, so
würden wir auf derselben
stets uns selbst parallel fort-
sclireiten. Wäre sie eine voll
kommene Kugel, so müßten unsere Vertikalen in gleichmäßiger Weise nach
oben divergiren, unser Zenith am Himmel also gleichmäßig fortschreiten. Ist
aber die Erde an den Polen abgeplattet oder ein Ellipsoid, so muß in der
Richtung der Meridiane das durch die Vertikalen getroffene Zenith am schnell
sten am Aequator, am langsamsten an den Polen sich verändern, oder die im
Innern der Erde von den Vertikalen gebildeten Winkel sind für gleiche Bogen
Fig. 28.