Von cler Rotation der Erde
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gemessenen Stelle zu berechnen; denn nicht immer wird es thunlich sein, zwei
Punkte gerade so zu wählen, daß ihre Entfernung genau gleich einem
Grade ist.
Die Messung des Bogens selbst bietet aber nicht unbeträchtliche Schwierig
keiten dar und ist kaum ausführbar, wenn man durch unmittelbares Anlegen
des Maßstabes die ganze Länge auch nur eines Grades, der, beiläufig gesagt,
etwa 15 deutsche Meilen lang ist, bestimmen müßte, wie dies z. B. Mason
in Pensylvanien versucht hat; denn wo findet sich auf der Erde wohl ein
Raum, der der Messung keine Schwierigkeiten, wie Wälder, Berge, Flüsse etc.,
entgegenstellte! Die Schwierigkeiten sind indessen durch ein eigenthümliches,
von Wülibrod Snellius in Holland im Jahre 1615 angegebenes und ange
wandtes Verfahren sehr verringert worden. Er zeigte, daß man indirekt, durch
Construction einer Reihe von Dreiecken, einen Meridianbogen messen könne.
2. Veranschaulichung. Angenommen, man wolle den Meridianbogen
N S, Fig. 31, bestimmen und habe die Punkte a, b, c, d
als passende Beobachtungspunkte gewählt, von denen
wenigstens zwei, wir wollen annehmen S und a, so gelegen
sind, daß man bequem zu ihnen kommen kann, und
daß der Boden zwischen ihnen möglichst eben ist.
Die Verbindungslinien der vier Punkte unter sich
und mit N und S bilden vier Dreiecke, Sab, abc,
acd und cdN.
Zunächst ist die Linie Sa möglichst genau direkt
zu messen, da sie zur Basis des ganzen Verfahrens
dienen soll und die geringste Ungenauigkeit sich auf
alle andern Linien übertragen würde. Dann sind
mit einem Winkelinstrumente die drei Winkel des
Dreiecks Sab zu bestimmen. Es würde eigentlich
schon die Bestimmung zweier Winkel genügen; durch
Messung des dritten Winkels aber gelangt man zur
Gewißheit darüber, ob und in wie weit die Beobachtung richtig ist, da alle
drei Winkel eines Dreiecks stets gleich 180 0 sein müssen. Durch eine Seite
und zwei Winkel aber ist die Form und die Größe eines Dreiecks genau be
stimmt, und die Trigonometrie lehrt, aus der einen bekannten Seite des Drei
ecks die übrigen zu berechnen. Ist so ab bestimmt worden, so kennt man in
dem Dreieck abc eine Seite, und es sind nur noch die beiden daran liegenden
Winkel zu messen, um auch die beiden andern Seiten berechnen zu können.
Auf dieselbe Art werden allmählich die Seiten aller vier Dreiecke bestimmt.
Dadurch ist aber noch nicht die Entfernung von S nach N bekannt, die zu
suchen war. Diese Länge wird stückweise gefunden, indem man den Winkel
mißt, den eine der Dreiecksseiten mit der Mittagslinie macht (Azimuth). Wäre
z. B. der Winkel dNr bekannt, so würde man in dem rechtwinkligen Dreieck
dNr leicht die Länge von Nr, also ein Stück der Mittagslinie berechnen
Fig. 31.