Von der Rotation der Erde. — Folgerungen.
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Fallraum in der ersten Sekunde in runder Zalil =15 Fuß annolnnen, der
Unterschied desselben für den Pol und den Aequator nur 7,4 Linien. Diese Größe
ist zwar nicht zu klein, um bemerkt zu werden; da indessen die Körper mit beschleu
nigter Geschwindigkeit fallen, so würde ein sehr geringer Fehler in der Beobach
tung der Fallzeit hinreichen, jenen Unterschied mehr als vollständig aufzuheben.
Ließe man Körper aus großen Höhen fallen, so würde freilich wegen län
gerer Zeit des Falles der Unterschied der Fallräume .sich als beträchtlicher
heraussteilen; allein weil solche Versuche in der atmosphärischen Luft vorgo-
nommen werden müssen, diese aber w r egen veränderlicher Dichtigkeit etc. dem
fallenden Körper zu verschiedenen Zeiten einen verschiedenen Widerstand leisten
würde, so könnten auch die so gewonnenen Resultate wenig Ansprüche auf
Zuverlässigkeit besitzen. Kurz: es haben diese Fallversuche kein sicheres Re
sultat geliefert.
5. Abwägungen der Körper. Nichts Besseres ist von den Abwägungen
der Körper in verschiedenen Breiten zu sagen. Allerdings müssen die Körper
von dem Aequator nach den Polen zu gewichtiger werden, so daß z. B. ein
Körper, der an dem ersteren Orte 289 Pfd. wiegt, an den Polen ein Gewicht
von 290 Pfd. besitzen muß; wie aber will man mit Wagen den Gewichts-
unterschied zeigen, da die ganze Wage samt den mitgenommenen Gewichten
in demselben Verhältnis mit den abzuwägenden Körpern gewichtiger werden.
Nur in einem Falle würde sich ein entscheidendes Resultat herausstellen, wenn
sich nämlich Wagen von außerordentlicher Größe, vielleicht mit meilenlangem
AVagebalken, construiren ließen. Hätte man eine solche Wage in der Richtung
eines Parallelkreises ins Gleichgewicht gebracht, so würde dieses Gleichgewicht
nicht mehr stattfinden, wenn man die ganze Wage so drehte, daß der Wage
balken in die Richtung des Meridians käme; sie würde sich dann nach den
Polen zu senken. Allein dergleichen Wagen sind nicht anzufertigen, und darum
können auch Abwägungen der Körper in verschiedenen Breiten zu keinem Re
sultate führen.
B. Das Pendel.
Bis zur zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatte man vergebens nach
einem Mittel gesucht, die aus der Theorie geschlossenen Resultate durch Ex
perimente als wirklich bestehend nachzuweisen, bis man endlich durch Zufall,
wie auf manche andere wichtige Erfindung und Entdeckung, auf ein Mittel
geführt w r urde, das alle oben angedeuteten Schwierigkeiten durchaus nicht dar
bot und eine glänzende Bestätigung des theoretisch Geschlossenen lieferte.
1. Richers Erfahrung. Als nämlich im Jahre 1672 der französische
Astronom Bicher von Paris nach Cayenne, der Hauptstadt des französischen
Guyana in Südamerika, reiste, einem Orte, der nur 5° nördlich vom Aequator
entfernt ist, nahm er auf dieser Reise seine nach Pariser Zeit regulirte Pendel
uhr mit, um sie, wie in Paris, zu astronomischen Zwecken zu benutzen. Als
er diese Uhr in Cayenne aufstellte, war er erstaunt, sie nicht mehr richtig,
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