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Von den wirklichen Bewegungen der Himmelskörper.
len 2, 3, 4...; es gilt deshalb als Gesetz: Die^Pendellängen verhalten
sich umgekehrt wie die Quadratzahlen der Schwingungsmengen.
Ist die Anziehungskraft der Erde in verschiedenen Breiten verschieden,
w r ie sie es aus angegebenen Gründen sein muß, so kann ein und dasselbe Pendel
in verschiedenen Breiten nicht gleich schnell schwingen; je stärker die An
ziehungskraft ist, desto schneller, je schwächer sie ist, desto langsamer muß
es schwingen. Ersteres muß nach den Polen zu, letzteres nach dem Aequator
zu geschehen. Baß Bichers Uhr in Cayenne nachging, war also sehr natürlich.
Die beobachtete Thatsacho zeigte unwiderleglich die Verminderung der Anzie
hungskraft der Erde nach dem Aequator zu und war somit eine schöne Bestäti
gung der Rotation und der Abplattung der Erde.
5. Das Sekundenpendel. Seit jener Erfahrung Bichers sind Pendel
beobachtungen in fast allen wichtigen Städten der Erde angestellt worden.
Gewöhnlich benutzte man dazu sogenannte Sekundenpendel, d. h. Pendel,
die in je einer Sekunde genau eine ganze Schwingung machen. Nach dem
Obigen muß das Sekundenpendel in verschiedenen Breiten eine verschiedene
Länge haben; es muß am längsten an den Polen, am kürzesten an dem Aequa
tor sein. Es ist keine schwierige Aufgabe, die Länge desselben für ver
schiedene Breiten zu bestimmen. Es kann dies auf theoretischem Wege, aber
auch durch unmittelbare Beobachtungen geschehen. Es ist nämlich in dem
angeführten Pendelgesetz schon gezeigt worden, daß zwischen den Quadratzahlen
der Schwingungsmengen und der Länge zweier Pendel ein bestimmtes Verhält
nis stattfindet.
Hätte man z. B. für irgend einen Ort der Erde ein Sekundenpendel eon-
struirt, so dürfte man dasselbe nur an verschiedenen Oertern der Erde aufstellen
und die von ihm in einer bestimmten Zeit gemachte Zahl der Schwingungen
zählen. Die Quadratzahlen dieser Schwingungsmengen wären dann einmal das
Verhältnis der Anziehungskraft, zugleich aber auch das Längen Verhältnis der
Sekundenpendel an diesen Oertern.
Ein Sekundenpendel macht unter dem Aequator in 24 Std. 86400 ganze
Schwingungen. Wenn nun dasselbe Pendel in Berlin in derselben Zeit 86542
Schwingungen vollführt, so muß sich die Länge des Sekundenpendels an beiden
Orten wie die Quadratzahlon dieser Zahlen, d. i. wie 1: 1,0033 zu einander
verhalten. Ba nun das Sekundenpendel unter dem Aequator eine Länge von
439,258 Par. Linien hat, so ist die Länge des Sekundenpendels zu Berlin ==
440,735 Par. Linien. An den Polen würde die Länge desselben = 441,562
Par. Linien gefunden werden. Bas oben angegebene Verhältnis der Länge des
Sekundenpendels ist aber zugleich das der Schwere. Barum wiegt eine Last,
die unter dem Aequator 10000 Pfd. wiegt, in Berlin 10033 Pfd., und da die
Fallgeschwindigkeit der Körper ebenfalls ein Maß der Schwere ist, so muß ein
Körper, der unter dem Aequator in der ersten Sekunde einen Fallraum von
15,05409 Par. Fuß zurücklegt, in Berlin 15,10377 Par. Fuß durchlaufen.
Bas Gesagte wird hinreichen, erkennen zu lassen, ein wie wichtiges In