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Von den wirklichen Bewegungen der Himmelskörper.
Punkten des Himmels stetig ändert, so muß es uns nothwendig scheinen, als
rotire täglich der ganze Himmel von 0. nach W. um die scheinbar ruhende
Erde. Sehen wir auf der Erde doch täglich ähnliche Erscheinungen. In einem
sanft dahingleitenden Kahne scheinen uns Bäume und andere feste Gegenstände
am Ufer in Bewegung begriffen zu sein, und zwar in einer Richtung, die der
unsrigen im Kahne entgegengesetzt ist, und täglich können wir anf den Eisen
bahnen ähnliche Erfahrungen machen. Fahren wir in einem Carrousel von
W. nach 0. im Kreise herum, so scheinen, namentlich wenn wir uns dem Sinnes-
eindrucke überlassen und uns nicht beständig an unsere eigene Bewegung
erinnern, die Hinge der festen Umgebung uns von 0. nach W. zu umkreisen,
und nach jeder vollen Umdrehung nehmen wir wieder dieselbe Lage zu jenen
Hingen an. Die Zeit einer wirklichen Umdrehung ist also auch die einer schein
baren. Ist ferner die wirkliche Bewegung gleichmäßig, so muß auch die
scheinbare sich als gleichmäßig darstellen, und umgekehrt müssen wir von
einer gleichmäßigen scheinbaren Bewegung auf eine gleichmäßige, sie veran
lassende wirkliche Bewegung schließen. Nun ist die Bewegung der Fixsterne
vollkommen gleichmäßig, und darum muß es auch die der Erde sein. Hiese
Gleichmäßigkeit und die dadurch bewirkte Sanltheit der Bewegung sind es be
sonders, die uns von derselben nichts empfinden lassen.
Hie Rotation des ganzen Fixsternenhimmels von 0. nach W. ist also eine
natürliche Folge der Rotation der Erde von W. nach 0.
ln je 4 Min. Sternzeit legt jeder Punkt der Erdoberfläche 1 0 zurück; in
dieser Zeit schreitet darum mit dem Horizonte eines Ortes auch dessen Meri
dian, da die Ebene dieses durch die Rotationsachse geht, 1° von W. nach 0.
fort und bewegt sich fortwährend neuen Sternen zu, so daß also eigentlich die
Sterne nicht in den Meridian treten, sondern dieser in die Sterne tritt, um sie
culminiren zu machen. Nach 4, 8 , 12, 16 ... . Min., von einem bestimmten
Zeitpunkte an gerechnet, culminiren für einen Ort der Erde daher Sterne, die
resp. 1, 2, 3, 4 .... 0 von den in jenem Zeitpunkte culminirenden Sternen
nach 0. entfernt sind. Hieraus folgt aber auch von selbst, daß für zwei ver-'
schiedene Oerter der Erde, die von einem gewissen Anfangsorte 1, 2, 3, 4 .... 0
weiter nach 0. liegen, ein bestimmter Fixstern resp. 4, 8 , 12, 16 .... Min.
früher culminirt als an dem Anfangsorte. Es lassen sich somit zwei Auf
gaben einfach lösen, einmal: bei bekannter Hifferenz der Culminationszeit des
selben Fixsterns für zwei Oerter die ost-westliche Entfernung dieser Oerter in
Graden, sodann: bei bekannter ost-westlicher Entfernung zweier Oerter der
Erde die Hifferenz der Culminationszeit desselben Fixsterns zu bestimmen. Im
ersteren Falle hätte man die in Minuten ausgedrückte Zeitdifferenz nur mit 4
zu dividiren, um die Anzahl der Grade für die Entfernung, im letzteren Falle
die Anzahl der Grade für die Entfernung nur mit 4 zu multipliciren, um die Zeit
differenz in Minuten zu erhalten. Hie erstere Aufgabe ist die wichtigste; sie
hat oft gelöst werden müssen, ehe es gelungen, die Lage der Oerter auf der
Erde zu bestimmen, und wir werden später noch einmal darauf zurückkommen.