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Von den wirklichen Bewegungen der Himmelskörper.
uns von der Erde aus die Fixsterne darstellen. Die Erde kann deshalb, trotz
ihrer Bewegung um die Sonne, doch als im Mittelpunkte des Himmels stehend,
als mit diesem concentriscli angesehen werden.
Indem sich die Erde um die Sonne bewegt, beschreibt die bis zum Himmel
verlängert gedachte Erdachse eigentlich die Oberfläche eines Cylinders, dessen
Grundflächen am Himmel Kreise von der Größe der Erdbahn sind, die also einen
Durchmesser von 41 mill. Min. haben. Allein der großen Entfernung der Fix
sterne gegenüber ist der ganze Cylinder als eine mathematische Linie, und seine
Grundflächen sind als mathematische Punkte, als die Pole des Himmels zu betrachten.
Es kann also die Erdachse in Wahrheit als ein Theil der Himmelsachse
und diese als die verlängerte Erdachse betrachtet werden. Daß nun auch das
über das Verhältnis des Erd- und Himmelsäquators Gesagte seine Giltigkeit
behalten muß, versteht sich von selbst; denn wegen des beständigen Paralle
lismus der Erdachse und des damit verbundenen Parallelismus des Erdäquators
muß auch die bis zum Himmel erweitert gedachte Ebene des Erdäquators, d. i.
der Himmelsäquator, stets durch dieselben Fixsterne gehen.
Ferner muß die Linie, in welcher die Ebene des Erdäquators die der Eklip
tik durchschneidet, welche Linie, bis zum Himmel verlängert, die Aequinoctial-
linie giebt, trotz der fortschreitenden Bewegung der Erde so lange denselben
Fixsternen zugewandt bleiben, als die Erdachse ihre Richtung im Raume nicht
ändert; auch kann sie als stets durch die Sonne gehend angesehen werden.
6. Die Präcession der Nachtgleiclren. Die Erdachse indessen bewahrt nicht
genau jenen Parallelismus. Zwar ist die Aenderung ihrer Lage nur so langsam, daß
ihre Folgen in der Dauer eines Menschenlebens kaum merklich sind; allein sie ist
doch vorhanden und muß ihren Einfluß, wenigstens nach Jahrtausenden, in Beziehung
auf den Anblick des gestirnten Himmels geltendmachen. So wird Avegcn der Ab-
Aveicliung der Erdachse von dem strengen Parallelismus der Nordpol des Himmels
nicht immer in der Nähe des heutigen Polarsternes liegen, und ebenso Avenig Avird
der Himmelsäquator beständig durch dieselben Sterne gehen, und die Durchschnitts
linie der Ebene des Erdäquators mit der der Ekliptik, d. h. die Aequinoctiallinie,
kann nicht dieselbe Richtung im Raume beibehalten, sondern muß in gleicher Rich
tung mit der Erdachse, auf den Horizont bezogen, von 0. nach W., in der Ebene der
Ekliptik herumzuwandern scheinen. Der Frühlingspunkt bleibt darum nicht hei den
selben Fixsternen; er schreitet vielmehr jährlich 50",221, in einem Jahrhundert
1°,394 von 0. nach W. oder gegen die Ordnung der Zeichen zurück, so daß er in
etAva 26000 Jahren, Avelche Zeit man wohl das platonische Jahr nennt, einen
ganzen Umlauf in der Ekliptik vollendet haben Avird.
Diese eigenthiimliche Bewegung der Aequinoctiallinie, die man die Präcession
(das Vorrücken) der Nachtgleichen zu nennen pflegt, und die zum Theil die
Ursache der Nichtübereinstimmung von Zeichen und Sternbild ist, Averden Avir in
ihrem näheren Verlaufe und mit den sie begleitenden Erscheinungen in der dritten
Abtheilung des Buches, und zwar in dem von den Fixsternen handelnden Kapitel,
noch genauer betrachten. Es mußte ihrer aber schon hier Erwähnung geschehen,
Aveil Aveiter unten bei der Besprechung unserer Zeitrechnung darauf Rücksicht ge
nommen Averden muß.