Full text: Allgemeine Himmelskunde

Yon den Planeten. — Venus. 
321 
gere oder kürzere Zeit hindurch nicht auf- und nicht untergeht, so wären die 
kalten Zonen der Venus je 72° breit; sie reichten also in die vorhin bezoich- 
nete heiße Zone hinein. Gemäßigte Zonen, wie auf der Erde, wären also auf 
der Venus eigentlich gar nicht vorhanden; denn heißen gemäßigte Zonen die 
Gegenden, in denen die Sonne täglich auf- und untergeht, so dürften dieselben 
nur zwischen dem Aequator und den Polarkreisen gesucht werden, und doch 
wären diese Gegenden passender als die eigentliche heiße Zone zu betrachten. 
Als gemäßigte Zonen könnten die Gürtel von je 54° Breite angesehen werden, 
die ihre äquatoriale Grenze in den Polarkreisen, ihre polare in den Wende 
kreisen hätten. Auf diese Weise würden aber die kalten Zonen die Gegenden 
zwischen den Polen und den Wendekreisen sein müssen. Die etwanigen Be 
wohner dieser letzteren Zonen würden während ihres Frühlings die Sonne bis 
zu einer sehr bedeutenden Höhe (die Polbewohner bis zu 72°, die Wendekreis 
bewohner bis zu 90°) emporsteigen und längere Zeit, ohne daß sie unterginge, 
den Horizont umkreisen sehen. Wegen des hohen Standes der Sonne und der 
langen Tage müßte sich, nach irdischen Verhältnissen zu urtheilen, die Wärme 
zu mehr denn tropischer Hitze steigern. Im Winter der Polargegenden hin 
gegen müßte, wegen des tiefen Standes der Sonne unter dem Horizonte, an die 
Stelle der Hitze alles erstarren machende Kälte treten. 
Einem solchen schroffen Wechsel der Temperatur würden aber, mehr oder 
weniger, alle Gegenden der Venus unterworfen sein. So nähme z. B. für den 
Aequator die Sonnenhöhe von 90° bis auf nur 18° Höhe ab, und innerhalb 
der Wende- und Polarkreise, in den gemäßigten Zonen, wäre dieser Unterschied 
noch beträchtlicher; denn während im Sommer dieser Gegenden die Sonne zu 
Mittag bis zum Zenithe hinaufstiege und längere oder kürzere Zeit hindurch 
nicht unterginge, würde sie im Winter sich nur sehr wenig über den Horizont 
erheben und selbst längere Zeit hindurch nicht aufgehen. Ob bei diesem starken 
Wechsel der Temperatur unsere irdischen Pflanzen bestehen könnten, ist sehr 
zu bezweifeln; ebenso wenig dürften wir Menschen uns zusagende Bedingungen 
der Existenz finden. Wegen größerer Nähe der Sonne würde diese etwa l 2 / 5 mal 
so groß im Durchmesser, also fast 2 mal so groß an Fläche erscheinen, als uns 
auf der Erde, und Erleuchtung und Erwärmung würden demnach unter übri 
gens gleichen Umständen ebenfalls das Doppelte derjenigen sein, welche die 
Erde erfährt. Genauer bezeichnet die Zahl 1,932 den Grad der Erleuchtung 
und Erwärmung, den der Erde = 1 gesetzt. Kein Mond erhellt auf der Venus 
die Nacht, da Venus keinen Begleiter auf ihrer Keise um die Sonne hat, ob 
gleich mehrere Beobachter einen Trabanten zu sehen geglaubt haben. Seit 
mehr denn 100 Jahren ist indessen mit sehr vervollkommneteu Instrumenten 
kein Venusmond gesehen worden, und auch bei den noch zu erwähnenden 
Durchgängen der Venus durch die Sonnenscheibe hat man von einem solchen 
Begleiter nichts bemerkt, so daß seine Nichtexistenz als gew'iß angenommen 
werden kann. Die Unvollkommenheit der Instrumente früherer Zeit mag jene. 
Täuschung hervorgerufen haben. 
Wetzel, Himmelskunde. 
21
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.