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Topographie des Himmels.
veränderlichen Sterne eine röthliche Farbe, ohne daß jedoch diese Farbe eine
nothwendige Bedingung der Veränderlichkeit wäre. Aber nicht bloß unter den
mit unbewaffneten Augen sichtbaren Sternen giebt es verschiedenfarbige, son
dern auch unter den telescopischen wird eine große Mannigfaltigkeit der Farbe
wahrgenommen. So sah John Ilerscliel am Cap der guten Hoffnung einst
eine Gruppe von 76 rubinfarbigen Sternen 7. bis 9. Größe, und einige erschie
nen fast wie Blutstropfen; in einer andern Gruppe sah dieser große Beobachter
dagegen viele Sterne in allen Farben des Regenbogens erglänzen. Daß diese
Farbenverschiedenheit nicht in atmosphärischen Verhältnissen liegen kann,
sondern in den Lichtprozessen der Sterne selbst begründet sein muß, ist mehr
als wahrscheinlich.
4. Vertheilung der Fixsterne. Achtet man auf die Vertheilung der
Fixsterne, so erkennt man für Sterne 1. bis 3. und 4. Größe keine besonders
auffällige Anhäufung derselben an bestimmten Stellen des Himmels, sondern
man findet Sterne der genannten Größen ziemlich gleichmäßig über den Himmel
vertheilt. Zieht man aber Sterne geringerer Größe mit in die Betrachtung
hinein, so zeigt sich eine merkwürdige, für unsere Vorstellung vom Weltenbau
wichtige Thatsache. Hach den Schätzungen (Aichungen), welche die beiden
Berschel über die Vertheilung der Fixsterne angestellt haben, nimmt nämlich
die Zahl der Sterne 5. und 6. bis zu Sternen 15. und 16. Größe mit der An
näherung an die Milchstraße ziemlich regelmäßig zu, und zwar von Punkten
aus, die von der Milchstraße ungefähr 90° entfernt sind. Diese Gegenden
nennt man die Pole der Milchstraße; der Nordpol derselben liegt in
12 11 47' AB und + D 27° bei dem Haupthaar der Berenice nördlich von der
Jungfrau, und der Südpol in 0 !l 47' AB und — I) 27°, etwas nördlich vom Stern
bilde der Fische. Diese Pole der Milchstraße sind die sternärmsten Gegenden
des ganzen Himmels, und von hier aus nimmt mit der Annäherung an die
Milchstraße die Zahl der Sterne erst langsam, zuletzt aber immer schneller zu.
So beträgt z. B. in Entfernungen von 0, 30, 66, 75 und 90° von dem Nordpol
der Milchstraße die Zahl der im Felde eines Fernrohrs, dessen Gesichtsfeld 15'
Durchmesser hat, im Durchschnitt gesehenen Sterne resp. 4,15; 6,52; 17,68;
30,30 und 122,00; doch ist nach der südlichen Halbkugel zu ein TJebergewicht
über den nördlichen Himmel bemerkbar, wie überhaupt jener die größte Zahl
schöner, großer Sterne aufzuweisen hat. Struve hat durch Vergleichung der
vorhan'denen Aiclmngen gefunden, daß in der Mitte der Milchstraße durch
schnittlich 29,4mal so viel Sterne stehen, als an den Polen derselben, was
natürlich nicht ausschließt, daß die Sterndichtigkeit in der Milchstraße selbst
sehr ungleich ist. Jene oben bemerkte Zunahme der Sterndichtigkeit trifft aber
vornehmlich die telescopischen Sterne.
5. Beschreibung der Milchstraße. Nach dem Gesagten scheint die
Milchstraße in der That nichts, als der in einen Lichtschimmer zusammen
fließende Glanz unzähliger Sterne zu sein, und durch sehr starke Fernröhre er
blickt man in ihr millionen von Sternen.