Full text: Allgemeine Himmelskunde

Entfernung und Parallaxe der Fixsterne. 
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nie geahntem Grade geschärft; man ist nämlich gegenwärtig mit Hilfe fein 
getheilter Kreise im stände, den sehr kleinen Winkel von einer Bogensekunde 
noch mit ziemlicher Sicherheit zu bestimmen, d. h. einen Winkel, der etwa der 
60. Theil desjenigen ist, unter welchem einem normalen Auge die Dicke 
eines Menschenhaares in einer Entfernung erscheint, hei der es am schärfsten 
gesehen wird, und durch sinnreiche, hier nicht näher zu beschreibende Vor 
richtungen hat man es sogar dahin gebracht, seihst noch kleinere Winkel, un 
gefähr den zehnten Theil einer Sekunde, zu bestimmen. 
2. Sehr große Entfernung der Eixsterne. Wie schon oben mitge- 
theilt, haben die Fixsterne keine tägliche Parallaxe, da die Entfernung der 
Standpunkte, welche die Erde darbietet, verschwindend klein gegen die uner 
meßliche Entfernung der Fixsterne ist. Darum hat man sich bemüht, eine 
jährliche Parallaxe an ihnen zu entdecken, indem man ihre Oerter am Him 
mel von den Endpunkten eines Durchmessers der Erdbahn aus zu bestimmen 
versuchte. Dieser Durchmesser hat eine Länge von etwa 40 mill. Min., oder 
er ist 24000 mal so groß als der Durchmesser der Erde. Sie verhält sich 
zur Größe einer deutschen Meile, wie die Zeit von fast l 1 /» Jahren zu einer 
Sekunde. Eine Kanonenkugel, die in jeder Sekunde 600' zuriicklogte, würde 
c. 50 Jahre, der Schall, dessen Geschwindigkeit 1038 Fuß in 1 Sekunde beträgt, 
29 Jahre, und das geschwinde Licht immer noch 16 V 2 Min. Zeit nöthig haben, 
um den Durchmesser der Erdbahn zu durchfliegen. Es ist also eine unvor 
stellbare Länge, und man sollte erwarten, daß bei einer solchen Entfernung 
zweier Standpunkte, wie sie die Endpunkte jenes Durchmessers uns darbieten, 
eine Aenderung in der Position eines Fixsterns sich bemerklich machen müßte. 
Seit der neuen Lehre des Copernikus beobachtete man möglichst genau die 
Positionen der Fixsterne, denn, sagte man, bewegt sich die Erde wirklich um 
die Sonne, so müssen die Fixsterne notliwendig eine Parallaxe zeigen. Indessen 
ward keine Parallaxe gefunden, und man hielt dies für entscheidend für die 
Unrichtigkeit des CoperniJcani sehen Systems. Freilich wohl konnte man damals 
höchstens Winkel von 1' ziemlich genau beobachten, und hätte ein Fixstern 
einen solchen Winkel als jährliche Parallaxe gezeigt, so würde er von der Erde 
3438 Sonnenweiten, d .i. etwa 70000 mill. Min., entfernt gewesen sein. Allein jenes 
Urtheil gegen das CoperniJcanische System war ein voreiliges. Es konnte frei 
lich mit demselben seine Richtigkeit haben; wenn aber die Fixsterne keine 
jährliche Parallaxe von 1' zeigten, so konnte dies auch beweisen, daß die 
Fixsterne weiter als 70000 mill. Min. von der Erde entfernt sein müssen, und 
so ist es in der That. Zeigte ein Fixstern eine jährliche Parallaxe von 1 ", 
so würde dies für ihn eine Entfernung von 206265 Sonnenweiten oder etwas 
mehr denn 4 bill. Min. voraussetzen. Diese Entfernung pflegt man eine Stern 
weite zu nennen und sie als Einheit bei der Bestimmung der Entfernung der 
Fixsterne anzunehmen. Eine deutliche Vorstellung kann man sich von dieser 
ungeheuren Entfernung nicht mehr machen; man kann sie sich aber näher 
bringen, wenn man sie mit anderen bekannten Größen vergleicht oder in Ver 
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