Von den Sternbildern.
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Ursprung haben dürfte. Ein anderes Volk, das den Aegyptern die Erfindung
streitig machen könnte, waren die der Sterndeutekunst einen so hohen Werth
heilegenden Chaldäer, und die genannten beiden Völker sind es vornehmlich,
zwischen welchen die Meinungen der Gelehrten getheilt sind. (Jeher die Chal
däer ist uns aus alten Schriften wenig, weit mehr über die alten Aegypter be
kannt, und seit dem Ende des 18. Jahrhunderts bis in die neueste Zeit haben
eigenthümliche Darstellungen des Thierkreises an den Wänden und Decken
der großen Tempelruinen zu Den der ah und Esneh in Ober - Aegypten über
die Entstehung und das Alter der betreffenden Sternbilder lebhafte Erörterun
gen hervorgerufen. Wer diese specieller verfolgen will, den verweisen wir
auf ein Werk des verstorbenen Direktor v. Kloeden, betitelt: »Der Sternen
himmel«, Weimar 1848, in dem der Gegenstand mit großer Ausführlichkeit
behandelt ist.
2. Der Thierkreis, wahrscheinlich in Aegypten entstanden.
Nach der Meinung des genannten Verfassers ist wahrscheinlich der Zodiakus
zuerst in der oben angedeuteten Weise mit Sternbildern bedeckt worden, und
zwar derart, daß man denjenigen Sterngruppen, die der Sonne gerade gegen
über oder kurz vor ihr auf- oder untergingen, (heliakischer Auf- und Unter
gang) eine besondere Beachtung widmete, v. Kloeden hat a. a. 0. versucht,
die Sternbilder des Zodiakus als mit den Beschäftigungen der alten Aegypter
in enger Verbindung stehend nachzuweisen, und wir folgen ihm, indem wir
hier das Wesentlichste über diesen Gegenstand beibringen. Nach dem über
einstimmenden Zeugnis aller alten Schriftsteller bestimmten die alten Aegypter
den Anfang ihres Jahres nach dem Frühaufgange (heliakischen Aufgange) des
Sirius (von den Aegyptern Thoth genannt, welches Wort die Griechen in
Sothis verwandelten), d. h. nach der Zeit, nach Verlauf welcher dieser helle
Stern zum erstenmale wieder vor Sonnenaufgang in der Morgendämmerung
sichtbar wurde, und man rechnete auf diese Weise das Jahr anfangs zu 360,
später, als man den Irrthum gewahr wurde, zu 365 Tagen. So wurde also
dieser helle Stern gleichsam zum Wächter des Jahresanfangs, und es gab kein
besseres Symbol für diesen Wächter als den Hund. So entstand vielleicht
das Sternbild des großen Hundes mit dem Sirius, auf dessen baldiges Erschei
nen Prokyon im kleinen Hunde als Vorbote aufmerksam machte. Nach den
Angaben Biots fand der Wechsel des Jahres zu 360 Tagen mit dem zu 365
Tagen am 20. Juli des Jahres 1872 v. Chr. statt, und so weit reicht die Cultur
der alten Aegypter gewiß hinauf; an dem genannten Tage fiel der Frühauf
gang der Sothis mit dem Sommersolstitium zusammen.
3. Damalige Lage des Himmelsäquators etc. Vergegenwärtigt man
sich nun die veränderte Lage der Sternbilder wegen der Präcession der Nacht
gleichen für die oben angegebene Epoche, so findet man die nach dem Unter
gänge der Sonne dieser gegenüber am Morgenhimmel sichtbar werdenden
Sternbilder des Thierkreises mit den damals in Aegypten bestehenden Verhält
nissen in merkwürdiger Uebereinstimmung. Da die Präcession der Nacht