Von der Wirkung äußerer Kräfte.
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Man pflegt dies Gesetz das Gesetz des Parallélogrammes der Kräfte
zu nennen. Mit Hilfe dieses Gesetzes läßt sich also der Weg bestimmen, den
ein Körper unter Einwirkung zweier gleichzeitig wirkenden Kräfte einschlagen
muß. Wird z. B. auf ein Schiff durch den Strom des V r assers und den Wind
gleichzeitig gewirkt, und zwar so, daß der Strom dasselbe in 1 Sek. durch 3 Fuß,
der Wind hingegen durch 5 Fuß in verschiedenen Richtungen forttriebe, so hätte
man sich zwei gerade Linien im Verhältnis von 3 : 5 unter einem Winkel an
einander zu setzen, den die Richtung des Windes und des Stromes mit ein
ander bilden, und dann aus diesem Winkel ein Parallelogramm zu construiren,
indem man die entsprechenden Parallellinien zieht. Die Diagonale dieses Parallelo
gramms würde die Richtung und Kraft der Bewegung des Schiffes ausdrücken.
Im gewöhnlichen Leben wird das obige Gesetz in der Praxis sehr oft be
folgt. Jeder Schilfer weiß, daß, wenn er mit einem Kahne über einen Strom
fahren und dem Abgangspunkte des Kahnes gerade gegenüber landen will, er
den Kiel des Schiffes nicht rechtwinklig auf die Stromrichtung, sondern schief
winklig dagegen zu richten hat; denn was er durch einen Ruderschlag zu weit
vorschreitet, wird er durch die Strömung bis zum folgenden Ruderschlage
wieder zurückgetrieben.
3. ‘Wirkung von mehr als zwei Kräften. Durch einfache Construc
tion von Parallelogrammen ist man im stände, das Resultat der Kräfte selbst
dann anzugeben, w r enn mehr als zwei Kräfte gleichzeitig auf einen Gegenstand
wirken. Man sucht nämlich zuerst
das Resultat aus zwei Kräften, dann
das aus der erhaltenen Diagonale und
der dritten Kraft u. s. w. Wirkten
z. B. auf einen Körper in o, Fig. 129,
drei Kräfte, deren erste ihn von o bis^>,
deren zweite gleichzeitig von o bis q,
und deren dritte von o bis r triebe,
so würde er, wirkten die beiden ersten
Kräfte allein, in der Diagonale des
Parallelogramms oqsp, nämlich durch
os sich bewegen. Tritt die dritte
Kraft hinzu, so ist aus dieser Kraft und der Diagonale os das Parallelogramm
orts zu construiren, dessen Diagonale ot die Resultirende aus allen drei Kräften
ist; der Körper würde also von o nach t gehen.
Wie man durch das Parallelogramm der Kräfte die resultirende Kraft
finden kann, ebenso kann auf einfache Weise irgend eine Kraft in zwei oder
mehr Seitenkräfte zerlegt werden, indem man die in Rede stehende Kraft als
die Diagonale eines Parallelogramms ansieht, das aber, wenn kein bestimmter
Fall vorliegt, aus verschiedenen Seitenkräften construirt werden kann. Das
Gesetz vom Parallelogramm der Kräfte werden wir auch bei den Bewegungen
der Weltkörper in Geltung sehen.