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Von den wirklichen Bewegungen der Himmelskörper.
11. Resultat. Auf diese Weise vereinigen sich alle angeführten Tliat-
sachen, außer Zweifel zu setzen, daß die Erde nicht eine Scheibe, sondern ein
kugelförmiger Körper ist. Ob sie aber eine vollkommene Kugel sei, und wenn
nicht, welche Abweichungen von der Kugelgestalt sie habe, vermögen diese
Thatsaclien, die nicht selten fälschlich Beweise für die Kugelgestalt der
Erde genannt werden, nicht darzuthun. Strenge Beweise können nur durch
die genausten Beobachtungen und scharfe Messungen, sowie durch darauf ge
gründete Rechnungen geliefert werden. Einiges hierüber wird später mit-
getlieilt werden.
Haben wir im Vorstehenden die Erde als eine Kugel kennen gelernt, so
ist wohl kaum noch nöthig hinzuzufügen, daß diese Kugel nicht, wie die Alten
anzunehmen geneigt waren, eine Unterstützung habe: die Erde ist eine frei
im Weltenraume schwebende Kugel. Haben wir doch an Sonne, Mond
und Sternen zahlreiche Analogien dafür; denn bei diesen Himmelskörpern ist
von einer Unterstützung durchaus nichts bekannt. Wenn wir nur im stände
wären, uns weit genug von der Erde zu entfernen, so würden wir sie eben
falls, wie jene, als Stern am Himmel glänzen sehen. Auf der Erde selbst uns
befindend, sind wir ihr zu nahe, und darum erscheint sie uns so groß, daß sie
die ganze Hälfte des Himmels verdeckt. Vom Monde dagegen gesehen, würde
sie uns als eine große, kreisrunde Scheibe erscheinen, die etwa den 4fachen
scheinbaren Durchmesser des Mondes hätte, und wir würden uns durch un
mittelbaren Anblick von ihrer kugelförmigen Gestalt überzeugen können. Zu
gleich aber würden wir auch im stände sein wahrzunehmen, ob die Erde, wie
Jahrtausende hindurch geglaubt worden, still steht, oder Bewegungen hat,
denen ähnlich, welche die ihr verwandten Planeten zeigen. Da uns indessen
ein solches unmittelbares Anschauen versagt ist, so müssen wir uns auf an
derem Wege Gewißheit über die Sache zu verschaffen suchen.
Zweites Kapitel.
Die Erde hat eine Achsendrehung.
Die ganze Himmelskugel mit allen ihren Sternen scheint sich täglich von
0. nach W. um die sogenannte Himmels- oder Weltachse und auf diese Weise
um die Erde herumzuschwingen. Im Alterthume blieb man auch hier bei dem
Scheine stehen und nahm ihn für den wahren Sachverhalt. Da man über die
Entfernung der einzelnen Sterne von der Erde wegen Mangels an den nöthigen
Beobachtungsmitteln fast vollständig im Dunkeln war, so versetzte man wenig
stens alle Fixsterne in gleiche Entfernung von der Erde an die Fläche eines
kristallenen Gewölbes und ließ sie mit diesem von einer über den Sternen ge
dachten, unbekannten Kraft täglich von 0. nach W. um die Erde herumführen.
Diese Anschauungsweise der Alten ging auch auf die späteren Völker Europas