Die Messungs- u. Eeductionsmethoden in der astronom. Photographie. 117
halben Durchmesser des benutzbaren Feldes nehmen; um ein vollständiges
Bild des Distorsionsverlaufs zu haben, wird man auch kleinere Distanzen
zu Grunde legen. Die Distanzen selbst brauchen nur genähert bekannt
zu sein.
Nach Berücksichtigung der Distorsion würde die Platte ein in allen
Theilen ähnliches Bild der scheinbaren Constellation, welche photographirt
worden ist, gewähren, wenn die Aufnahme auf einer durchaus unver
änderlichen, stabilen Schicht stattgefunden hätte. Das ist aber nicht
der Fall; vielmehr müssen die empfindlichen Schichten stets aus einer
organischen Substanz bestehen, die bei der nothwendigen Behandlung
mit wässerigen Lösungen aufweicht und zum Theil sogar aufquillt
und daher keineswegs stabil ist. Eine Ausnahme hiervon liegt nur
beim Daguerre’schen Verfahren vor, welches aber aus anderen Gründen
gänzlich verdrängt ist. Man hat der Frage der Verzerrung der Schichten
grosse Aufmerksamkeit zugewendet und zwar schon bei dem früheren
Verfahren des nassen Collodiums.
Die ersten Erfahrungen Uber die Verzerrung des nassen Collodiums
sind von Rutherfurd bei Gelegenheit der Ausmessungen seiner Stern
photographien gemacht worden. Auf Grund derselben erklärte Ruther
furd, dass grössere und merkliche Verziehungen der Schicht nicht statt
finden, besonders wenn die Glasoberfläche vorher mit einer dünnen
Albuminschicht überzogen ist.
Zu den Vorbereitungen für die Anwendung der Photographie beim
Venusdurchgang voii 1874 gehörten auch specielle Untersuchungen über
die Schichtverzerrungen; dieselben wurden von Paschen*) angestellt.
Seine Methode bestand darin, von einem auf Glas gezogenen und sorg
fältig ausgemessenen Gitternetze mittels eines Objectivs ein nahe gleich
grosses Bild zu erzeugen und zu photographiren. Die Ausmessung des
photographischen Bildes ergab dann nach Reduction auf die wahre
Gittergrösse die durch die Verzerrung entstandenen Fehler. Gegen diese
Methode sind von vornherein schwerwiegende Einwürfe zu erheben.
Einmal kann die durch das Objectiv verursachte Distorsion von derselben
Ordnung sein, wie die gesuchte Schichtverzerrung, und muss jedenfalls
vorher sehr sorgfältig ermittelt werden; dann aber geht jede Unsicherheit
in dem Reductionsfactor auf die wahre Gittergrösse voll in die gesuchten
Grössen ein, und es dürfte sehr schwer halten, diesen Factor überhaupt
so genau zu bestimmen, dass der gefundenen Verzerrung Realität beizu
messen ist. Paschen fand sehr grosse Werthe für die Schichtverzerrung,
die bei proportionalem Verlaufe im Sinne einer Contraction bis zu l / 5 23
*) Astr. Nachr. Nr. 1884.