Die Messungs- u. Reductionsmethoden in der astronom. Photographie. 1 ] 9
den nassen Oollodiumplatten ebenfalls merkliche Verziehungen der Schicht
nicht erkennen lassen, wohl aber sehr starke bei den Trockenplatten,
welche bis zu 0.02 mm gingen.
Aus der Gesammtheit aller dieser Untersuchungen wird man den
Schluss ziehen können, dass beim nassen Collodiumverfahren nur local
auftretende Verziehungen Vorkommen, die im allgemeinen an der Grenze
der Messungsgenauigkeit liegen, und die bei Benutzung mehrerer Auf
nahmen als kleine zufällige Fehler in die Resultate eingehen.
Bei den Gelatineplatten sollte man a priori eine sehr starke Ver
ziehung der Schicht erwarten, da die Exposition im trocknen Zustande
der Gelatine erfolgt, die beim nackherigen Aufweichen bis zum zehn
fachen ihrer ursprünglichen Dicke aufquillt. Die Erfahrungen haben das
Gegentheil gelehrt: die Verziehungen sind so gering, dass sie an der
Grenze der Wahrnehmbarkeit durch feine Messungen stehen. Von
speciellen Untersuchungen hierüber ist mir ausser meinen eigenen*) nichts
bekannt; nach denselben ist über die Verziehungen Folgendes anzunehmen:
1 ) Die Verzerrung, welche die Gelatineschicht bei den verschiedenen
Manipulationen des Entwickelns erleidet, ist als unabhängig zu be
trachten von der Behandlung, welche die Platte beim Fixiren und Alau-
nisiren erfährt (sie entsteht wahrscheinlich beim ersten Aufquellen während
der Entwicklung).
2) Es scheinen die Verzerrungen insofern eine Regel zu befolgen,
als sie in einer Richtung der Platte wesentlich positiv, in der dazu senk
rechten wesentlich negativ verlaufen, dass also in der einen Richtung
Ausdehnung, in der andern Zusammenziehung erfolgt. Hierbei ist es
gleichgültig, in welcher Lage sich die Platte beim Trocknen befunden
hat, und es rührt diese Erscheinung entweder von der Fabrikation her
oder von einer cylindrischen Form der Platte (zu den Versuchen sind keine
geschliffenen Platten benutzt worden). Im allgemeinen ist der Verlauf
der Verziehungen aber nicht regelmässig, weder auf einer Platte, noch ver
halten sich alle Platten wie angegeben.
Als mittleren Betrag der Verziehung habe ich auf eine Länge von nahe
65 mm den Werth 0.006 mm gefunden, oder also etwa ] /ioo Procent der
Länge. Weitere Erfahrungen haben indessen gezeigt, dass man wahr
scheinlich die Verziehungen nicht der gemessenen Strecke proportional
setzen darf, sondern dass sie ziemlich localer Natur sind und sich häufig
schon auf sehr kurze Strecken hin wieder aufheben. Dann kann man die
Verziehungen überhaupt nicht in Rechnung ziehen, sondern sie tragen, wie
bei den Collodiumplatten, nur dazu bei, die zufälligen Messungsfehler, von
*) Zeitschrift für Instrumenten-Kunde 11? 394.