II. Die photograph. Photometrie u. die Entstehung photograph. Bilder. 211
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Die Frage nach der Ursache der Verbreiterung der photographischen
Sternscheibchen hängt so innig mit der Ermittelung der physikalischen
Beziehungen zwischen den Durchmessern der Scheibchen und der Inten
sität und Expositionszeit zusammen, dass ihre Lösung auch vereint mit
letzterer behandelt werden muss.
Die photographische Verbreiterung oder Ausbreitung stark belichteter
Stellen der Platten über die Belichtungsgrenze hinüber zeigt sich übrigens
nicht nur bei Sternaufnahmen, sondern bei allen contrastreichen Photo
graphien; man bezeichnete diese Ausbreitung früher als »photographische«
oder »chemische« Irradiation und glaubte, dass sie auf einer Ausbreitung
der chemischen Vorgänge innerhalb der empfindlichen Schicht durch
Contact beruhe, dass sie also einen ähnlichen Vorgang darstelle, wie die
Ausbreitung der chemischen Vereinigung oder Trennung innerhalb eines
explosiven Gemisches, welche an einer Stelle eingeleitet worden ist.
Der erste, der sich genauer mit der Frage nach der Ausbreitung
der Sternscheibchen beschäftigt hat, war G. P. Bond*), Cambridge, dessen
Untersuchungen hierüber im Jahre 1857 begonnen haben; es ist charak
teristisch, wie genau Bond bereits damals die Eigentümlichkeiten des
Vorganges erforscht hat, und wie er die Vortheile der photographisch
photometrischen Methode erkannt hat, soweit dies nach dem damaligen
Stande der physikalischen Kenntniss überhaupt möglich war: »Photo
graphien von Sternen ungleicher Helligkeit bieten deutliche Unterschiede
in Gestalt und Intensität dar, wenn ihre mit gleicher Expositionszeit er
haltenen Bilder mit einander verglichen werden; es drängt sich sofort
die Möglichkeit auf, sie nach einer Scala ihrer photographischen oder
chemischen Grössen zu ordnen, welche analog der gewöhnlichen optischen
Scala ist, sich aber von ihr wesentlich durch die Thatsache unterscheidet,
dass sie auf wirkliche Messungen gegründet werden kann, gegenüber den
vagen und ungewissen Schätzungen, auf welche sich die Astronomen
bisher beschränkt haben, um die relative Helligkeit der Sterne in Zahlen
auszudrücken. In drei Besonderheiten wird das vorgeschlagene System
einen fraglosen Vortheil Uber das gewöhnlich benutzte haben, voraus
gesetzt, dass die chemische Wirkung des Sternenlichtes kräftig genug ist,
um genaue Bestimmungen seines Betrages zu geben. Es wird weniger
zugänglich für individuelle Eigenthümliehkeiten unseres Gesichtssinnes
sein. Es wird weniger Kaum sein für Unterschiede zwischen verschie
denen Beobachtern oder für schlechte Uebereinstimmungen zwischen den
Resultaten ein- und desselben Beobachters zu verschiedenen Zeiten, in
Beziehung auf das Intensitäts-Verhältniss der verschiedenen Grössenclassen
*) G. P. Bond. Stellar Photography. Astr. Nachr. 49, 81.