Die Venusdurchgnnge von 1874 und 1882.
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Zunächst kann es keinem Zweifel mehr unterliegen, dass die Aus
dehnung und Gestaltung der Corona einem vielfachen Wechsel unterworfen
ist; ganz besonders äussert sich dies darin, dass zu den Zeiten geringer
Sonnenthätigkeit (Fleckenminimum) die Corona nur geringe Ausdehnung
besitzt, während sie im Maximum der Sonnenthätigkeit sehr viel weiter
von der Sonne weg zu verfolgen ist.
Hiermit steht die äussere Form der Corona im engsten Zusammen
hänge; denn im allgemeinen zeigt sie in den Verlängerungen der soge
nannten Fleckenzonen ihre grösste Ausdehnung, während die Pole ab
geplattet sind und der Aequator selbst als ein Defect in der Corona
materie sichtbar wird: die Corona zeigt die Form eines in der Richtung
des Sonnenäquators liegenden, von der Sonne weg gerichteten Fisch
schwanzes. Bemerkenswerthe Abweichungen von dieser Form sind
übrigens auch schon beobachtet worden, so z. B. im Jahre 1878, wo die
grösste Ausdehnung der Corona in der Richtung des Sonnenäquators lag
und sich durch zwei über mehrere Sonnendurchmesser weit zu verfolgende
Streifen documentirtc*).
Von besonderem Interesse sind die fast immer vorhandenen Streifen
der Corona, welche mehr oder weniger symmetrisch von der Sonne aus
gehen, bald geradlinig, bald gekrümmt, und im allgemeinen sehr an die
Kraftlinien in der Umgebung magnetischer Pole erinnern. Gerade sie
sind wesentlich massgebend gewesen bei der Aufstellung der verschiedenen
Theorien über das Wesen der Corona, von den elektro-magnetischen
Theorien an bis zu den rein mechanischen, bei welchen diese Streifen
einfach durch mechanisch fortgeschleuderte Sonnenmaterie gedeutet werden.
Die Venusdurchgänge von 1874 und 1882. Bei der Beobach
tung der beiden Venusdurchgänge dieses Jahrhunderts, besonders aber
bei dem vom Jahre 1874, hat die Photographie eine sehr umfangreiche
Anwendung gefunden. Die Hoffnungen, die man. gerade an diese Art
der Beobachtungen geknüpft hatte, sind einerseits zwar nur zu geringem
Theile in Erfüllung gegangen, andrerseits sind die nächsten Venusdurch
gänge durch einen solchen Zeitraum noch von uns entfernt, dass ein
Versuch, die Erfolge der Photographie auf diesem Gebiete und die Gründe
der Misserfolge hier auseinanderzusetzen, keinen belehrenden Zweck
haben kann, und doch möchte ich diesen Versuch nicht unterlassen und
zwar aus zwei Gründen: Einmal spielen die Venusdurchgänge in der
Geschichte der Himmelsphotographie eine sehr hervorragende Rolle,
*) Huggins. On the Corona of the Sun. Proc. R. Soc. 1885. Nr. 239.