Full text: Reformation des Himmels

Wenn Du schon so lange Zeit gebraucht hast, um 
vier Kleinigkeiten aus den unendlich vielen anderen Gescheh 
nissen zu berichten, welche in derselben Zeit passiert sind, 
auf einem ganz kleinen Fleckchen Erde, wo vier oder 
fünf nicht allzu grosse Wohnungen stehen, was sollte 
daraus werden, wenn Du vollen Bericht erstatten müsstest 
über alle Ereignisse, die in dieser Stunde für jenes Dorf, 
das am Fusse des Berges Cicala liegt, verfügt sind! 
Gewiss würde Dir ein Jahr nicht hinreichen, um sie eins 
nach dem andern so aufzuzählen, wie Du begonnen hast. 
Was meinst Du, wenn Du sodann noch alle Sachen hinzu 
berichten wolltest, die geschehen sind in der Stadt Nola, 
im Königreich Neapel, in Italien, in Europa, auf der 
ganzen Erdkugel, auf jeder anderen Weltkugel im unend 
lichen Raum, da ja der Vorsehung des Zeus unendlich 
viele Welten unterworfen sind? Wahrhaftig, um bloss zu 
berichten, was geschehen und verfügt ist in einem 
Augenblick, im Umkreise eines einzigen dieser Weltkörper, 
würden Dir nicht nur nicht, wie die Dichter sagen, 
hundert Zungen und ein hundertfacher Mund von Erz, 
nein, nicht einmal tausend mal tausend Milliarden a ) von 
Millionen Zungen und Münde hinreichen, um davon auch 
nur den tausendsten Teil zu erzählen. Um es gerade 
herauszusagen, so weiss ich nicht, o Merkur, was ich 
über diesen Bericht denken soll, demzufolge ja einige 
meiner Verehrer, sogenannte Philosophen, Recht bekämen, 
U Das geistige Eigentum dieser Hyperbel gebührt zweifellos dem 
Vater Homer, der beim Beginn des Schiffskatalogs Ilias II 489 ff. 
also singt: 
„Aber das Volk, nicht möcht ich es mündigen oder benennen. 
Wären mir auch zehn Kehlen zugleich, zehn redende Zungen, 
War 1 unzerbrechlicher Laut und ein ehernes Herz mir gewähret;“ 
Seine lateinischen Nachahmer, ein Virgil und Iioraz, sodann Tasso, 
machten aus den zehn schon hundert, bis endlich — ein flagrantes 
Beispiel, wie Nachahmung durch Vergrösserung und Schwulst die Blosse 
des Mangels an Originalität zu verdecken pflegt — auch der Reimer 
eines bekannten Kirchenliedes singt: 
„Und wenn ich tausend Zungen hätte 
Und einen tausendfachen Mund“ 
Unserem Bruno dürfte die Priorität dieser hyperbolischen Vergrösserung 
einer alten, geflügelten Wendung kaum von letzterem abzustreiten sein.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.