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Sofia: So viel verstehe ich, dass Ihr diese Dinge nicht gleich
zeitig erzählen und ausführen könnt, und dass sie nicht
von einem einfachen und einzigen Subjekt getragen sein
können, und deshalb muss der sie bewirkende ihnen
angemessen sein oder sich wenigstens mit seiner Wirkungs
weise ihnen anpassen.
Merkur: Was Du sagst, ist richtig und muss so sein und
kann nicht anders sein bei jedem der besonderen,
nächsten und natürlichen Wirkungsfaktoren;
denn hier richtet sich nach dem Masse und dem Grunde
der besonderen wirkenden Kraft auch der Grund und das
Mass der besonderen Wirkung bei dem besonderen Subjekt.
Aber bei dem Universellwirkenden ist es nicht so;
denn dieser ist angemessen, wenn ich so sagen darf,
dem unendlichen Gesamterfolge, der von ihm abhängt,
gemäss dem Inbegriff aller Räume, Zeiten, Qualitäten
und Subjekte, und nicht bestimmt durch die einzelnen
Räume, Subjekte, Zeiten und Qualitäten.
Sofia: Ich begreife, o Merkur, die universelle Vernunft ist
von der besonderen so verschieden, wie das Endliche von
dem Unendlichen.
angedeutet haben, dass die Zeit nur eine durch unsere Endlichkeit bedingte,
phänomenale Anschauungsform ist, dass Gott ausserhalb oder über der
Zeit steht. Vortrefflich ist diese Bedeutung der Idealität von Baum und
Zeit ausgeführt von Hugo Sommer „Die Neugestaltung unserer Welt-
ansicht durch die Idealität des Baumes und der Zeit“ 1882 cf. p. 180 ff.
Bruno will durch diesen Exkurs keineswegs die göttliche Vorsehung
negieren, vielmehr nach weisen, dass sie wissenschaftlich nur denkbar
ist, wenn Gottes Wesen von unserer endlichen phänomenalen Anschauungs
form emanzipiert wird. cf. Sommer 1. c. p. 179. „Sollte der Verlauf
einer realen leeren Zeit allem Geschehen übergeordnet sein, so konnte
Gott nicht als der Grund alles Wirklichen, als das einzige Prinzip alles
Wirkens und Geschehens gedacht werden. Solange Baum und Zeit als
Bealitäten ihrer eigenen rätselhaften Art zwischen den Wesen gedacht
wurden, war es unmöglich, die Wechselwirkung dieser zu begreifen, und
sie selbst als modi göttlichen Fürsichseins in der substantiellen Einheit
Gottes verbunden zu denken. — — — Die Erkenntnis der Idealität des
Baumes und der Zeit beseitigte diesen Best durch den Nachweis seiner
phänomenalen Natur, und es wurde nun das Evangelium des Idealismus
zur Wahrheit, dass nur das Lebendige wirklich, und alle Weltwirklichkeit
nur aus den Zwecken und Werten des Lebens verständlich sei.“ Vergl.
noch vor allem H. Lotze, Microcosmus III. p. 600 ff. Lasson, not. 13
p. 58 zur Übersetzung von Bruno’s „Ursache, Princip und der Eine“.
Kuhlenbeck, Giordano Bruno. q