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Merkur: Sag’ lieber, wie die Einheit von der unendlichen
Zahl; und Du musst auch wissen, liebe Sofia, dass die
Einheit in der unendlichen Zahl ist und die unendliche
Zahl in der Einheit, ferner dass die Einheit nur eine
unentwickelte Unendlichkeit und die Unendlichkeit nur
eine entwickelte Einheit ist; sodann, dass wo keine
Einheit ist, auch keine Zahl und zwar weder eine endliche
noch eine unendliche ist, und dass, wo immer eine
endliche oder unendliche Zahl ist, dort auch notwendiger
weise die Einheit ist. Diese letztere ist also das Wesen
der ersteren. Wer also nicht nach ihren bloss eigen-
schaftlichen Beziehungen, wie die einzelnen endlichen
Geister, sondern nach ihrem Wesen die Einheit erkennt,
wie dies die universelle Intelligenz thut, der erkennt die
Einheit und die Zahl, das Endliche und Unendliche, der
erkennt das Ende und die Begrenzung jeder Fassungs
kraft und das, was darüber hinausgeht: und der kann
auch alles wirken nicht allein im allgemeinen, sondern
auch im besonderen; denn wie es nichts besonderes
giebt, was nicht im allgemeinen inbegriffen ist, so giebt
es keine Zahl, in der die Einheit nicht wesen-
hafter enthalten wäre, als die Zahl selber. 1 )
Somit steht also Zeus ohne jede Mühe und An
strengung allen Dingen an allen Orten und zu allen
Zeiten vor, wie sich notwendigerweise das Sein und
die Einheit in allen Zahlen, in allen Räumen, in allen * V.
x ) Bruno will damit sagen, dass die Zahl ein blosser Beziehungs
begriff ist, „derselbe Mensch kann als solcher zu den sechs vorhandenen
und als Knabe zu den drei vorhandenen gehören 4 cf. Kirchmann, die
Lehre vom Wissen c. 18. — Das wesentlich seiende an der Zahl ist nur
die Einheit, diese Einheit ist nach Bruno zugleich das „Kleinste und das
Grösste, zugleich die Einheit (monas) und die Unendlichkeit“. Diese Zahl
ist nichts als ein von der Monade der Monaden, von Gott, als der Einheit
alles Seins, in sich selbst gesetzter Unterschied, cf. Carrière, Philos.
Weltanschauung der Beformationszeit p. 440. Vergi, auch Plotin, Ennead.
V. 1. 4. VI. 6. 2. „Sofern die Anzahl der Wesen und ihrer Urbilder
genau bestimmt ist, wohnt die Zahl auch in den i'0)jT0(g i aber diese
wahre Zahl fällt mit den Dingen selbst zusammen, ist deshalb fest
begrenzt; erst das subjective Denken erzeugt die Zahl, von der man
beliebig hinwegnehmen oder der man beliebig hinzusetzen kann, die
massiose Beziehungs- oder Kechnungszahl.“ „Die wahre Zahl liegt in
der Unterscheidung der Ideen, in ihrer Individualbestimmung.“