Full text: Reformation des Himmels

Die Wahrheit ist eine Wesenheit, die nicht später 
ist als irgend etwas Seiendes. Denn wenn Du irgend 
ein Wesen als ein der Wahrheit vorangehendes setzen 
wolltest, so müsstest Du notwendig denken, dass es 
Ebendaselbst p. 162. „Das Wesen der Natur muss mindestens dem 
besten, was das Menschengeschlecht in sich selbst finden kann, ebenbürtig 
sein“.— „Die Yoi'stellung des Grundes der Dinge als eines edleren Typus 
ergiebt erst eine moralische Weltauffassung. Das Lebendige allein kann 
nichts helfen. Aus nichts lässt sich eben nichts begreifen.“ Dühring sollte sich 
nur, nachdem ihn sein ethisches Bewusstsein über alle exakt-positivistischen 
Ausgänge hinaus zur Anerkennung des Weltfundaments als „Charakters“ 
cf. p. a. a. o. p. 158 gedrängt hat, zur Benennung desselben als 
Gottheit im Sinne der Philosophie Bruno’s bequemen anstatt es, wie in 
seinem Wirklichkeitssystem bloss als abstraktes Sein unter Leugnung 
jedes geistigen Wertinhaltes zu bezeichnen; denn aus einer so kahlen 
Metaphysik, wie sie der Feuerbach’sche Materialismus bietet, lässt sich 
eben auch nur der ethische Grundsatz eines Feuerbach deduzieren, 
wonach „der Mensch ist, was er isst.“ 
Vom theologischen Standpunkt aus bemängelt E. B. Hartung 
in „Grundlinien einer Ethik des Giordano Bruno“, Leipzig 1878, das 
metaphysische Fundament der brunonischen Ethik als unzureichendes, 
da es nicht gelingen könne, aus dem Gottesbegriff Bruno’s, demzufolge 
die oberste Wahrheit „Freiheit und Notwendigkeit zugleich“ ist, für die 
menschliche Freiheit, die ein zweites unentbehrliches Axiom aller ernstlichen 
Ethik ist, eine Stelle zu schaffen, cf. Hartung a. a. 0. p. 54. Zwar 
bestreitet Hartung nicht, dass Bruno selbst an diesem Axiom, an der 
sittlichen Freiheit des Menschen festhält, erklärt doch Bruno ausdrücklich 
in der Schliff „dell’ universo, infinito mondi“, W. 2, 25, dass es dem 
Veränderlichen zukomme, eine Möglichkeit zu haben, die von der Wirk 
lichkeit geschieden sei, dass es also in der Macht des Menschen liege, 
aus diesen verschiedenen Möglichkeiten eine zu wählen und dass darin 
seine Freiheit (liberta, elezione) bestehe; auch giebt er zu, dass Bruno’s 
scharfe Polemik gegen die Prädestinationslehre Calvin’s (siehe diese 
Dialoge I, p. 95, 96 ff. oben) nur aus seiner eigenen Überzeugung von 
der Willensfreiheit des Menschen erklärlich werde; — allein Hartung 
findet hier eine Inkonsequenz im brunonischen System, die Bruno’s Herz 
im Widerstreit mit seinem Verstände veranlasst habe. 
Ich möchte meinen, dass diese Behauptung auf einer Verkennung 
der brunonischen Gottesidee beruht; Hartung neigt angesichts der vielfach 
behandelten Meinungsdifferenz, ob Bruno für einen Pantheisten oder für 
einen Individualisten zu gelten habe, zur Bejahung der ersten Alterna 
tive, er glaubt, Bruno’s philosophische Ansicht sei die pantheistische, 
obwol „sein lebendiges religiöses Gefühl ihn zum Theismus gedrängt 
habe“. Aber sollte sich denn Pantheismus und Theismus, bezw. Indi 
vidualismus nicht in einem umfassendereren individualistischen Monis 
mus, im Pantheismus vereinen lassen? M. Carrière, von Überweg 
wol nicht mit Unrecht der congenialste aller bisherigen Darsteller der 
brunonischen Philosophie genannt, ist der Ansicht, dass Bruno der 
erste gewesen, der diese Vereinigung zweier scheinbar entgegengesetzter 
Weltanschauungen mit bewusster Klarheit erstrebt habe, seine Ansicht 
ist durch die Dokumente über Bruno’s Aussagen vor der Inquisi 
tion in überraschender Weise bestätigt; vergi. M. Carrière, die philo 
sophische Weltanschauung der Pieformationszeit, 2. Aufl. 1887, sie wird
	        
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