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uns die Klugheit wirkt, welche in einem gewissen zeitlich
verknüpfenden, nach bestimmten Prinzipien verfahrenden,
das allgemeine und besondere auf einander beziehenden
(diskursiven) Denken besteht, sie hat zur Dienerin die
Dialektik und zur Führerin jenes erworbene Wissen,
welches gewöhnlich Metaphysik genannt wird und das
allgemeine in allen Dingen, die in den Bereich der
menschlichen Erfahrung fallen, betrachtet, und diese
beiden verwenden alle ihre Betrachtungen zum Nutzen
jener; sie hat zwei feindselige Gegnerinnen, die ihr zu
schaden trachten, rechter Hand die Schlauheit, Hinter
hältigkeit und tückische List, linker Hand die Dummheit,
Trägheit und den Unverstand, und ihr praktisches
Bethätigungsgebiet ist dasjenige der besonnenen Tugend,
als Tapferkeit gegenüber dem leidenschaftlichen Angriff,
als Mässigung gegenüber dem Komplott der Begierden, als
Gerechtigkeit bei allen äusseren und inneren Thätigkeiten. 1 )
Saulin: Du meinst also von der Vorsehung, dass sie in uns
die Klugheit bewirkt und dass jene in der urbildlichen
Welt dieser als ihrem Wiederschein in der natürlichen
Welt entspricht. Diese ist es, welche dem Sterblichen
einen Schild vorhält, damit er sich mit Vernunft decke
gegen widrige Verhältnisse, durch sie werden wir belehrt,
uns schlagfertig zu machen und Vorbereitungen zu treffen,
wenn grössere Verluste drohen und zu befürchten sind,
sie ist. es, durch welche die niederen Thätigkeitszentren
sich den Umständen, Zeiten und Verhältnissen anpassen,
indem sie, ohne sich selbst aufzugeben und zu ändern,
ihre Wünsche und Bestrebungen adoptieren ; ihr haben
Ü Über das Wesen der Vorsehung, vergl. Not. 1 zum Dialog 1.
S. 112 ff. Diese Lehre von einer immanenten Vorsehung führt zu einer
thatkräftigen praktischen Moral, da sie den Menschen zunächst an die
ihm immanente individuelle Vorsehung, die Klugheit verweist, ohne
jedoch das Vertrauen auf höhere Hilfe völlig zu nehmen, und somit
einerseits die Klippe eines blinden mohamedanischen Fatalismus, wie
andererseits die Haltlosigkeit schwankenden Zweifels und thatenlosen
Flehens um übersinnliche Eingriffe meidet; sie findet ihr historisches
Muster in jener christlich-gesunden Parole, welche Cromwell seinen Sol
daten gab: „Vertraut auf Gott und haltet Euer Pulver trocken!“
Wegen des hier im Text zuerst auftretenden Prinzips der u£ 06 t)}Q
vergl. Not. 1 zu Seite 25, Abs. 7, S. 26.