und meinen, dass man sich blos, ich weiss nicht was
für einer tragoedia cabbalistica rühmen soll. 1 )
Sofia: „Wahrlich, es kommt nichts darauf an, was sich einer
einbildet oder was er denkt, wenn er nur durch seine
Worte und Thaten den allgemeinen Frieden nicht be
einträchtigt. Wesentlich aber kommt es darauf an, alles
b Diese Polemik Bruno’s gegen die evangelisch-reformierte Glaubens
lehre enthält viel wahres, aber auch einiges falsche. Seine einseitig
geschärfte Abneigung gerade gegen das Grunddogma der theologischen
Reformation, den Satz von der Rechtfertigung durch den Glauben,
wird übrigens erklärlich, wenn man bedenkt, mit welcher Spezies
von Reformation er vor der Abfassung der „Spaccio“ lediglich in Berührung
gekommen war. Es war in Genf, wo der dem Arme der römisch-katholischen
Inquisition entfliehende Nolaner die erste Stätte der Reformation aufsuchte,
seine Erwartung, hier eine Zuflucht der Gewissensfreiheit zu finden, wurde
bitter enttäuscht. Die Intoleranz gerade der Genfer Calvinisten ist bekannt,
fanden doch unter dem theokratischen Regime Calvins in Genf allein in
den Jahren 1542—46 58 Hinrichtungen wegen religiöser Heterodoxie statt,
unter diesen Opfern waren 30 Männer. 28 Frauen, 10 wurden enthauptet,
13 gehenkt, 35 lebendig verbrannt, 76 andere kamen gnädig mit Ver
bannung ab; am bekanntesten ist der schmähliche Tod des berühmten
Arztes Serveto um dieselbe Zeit. cf. Kolb. Kulturgeschichte II. 342 ff.
Als Bruno nach Genf kam, war freilich Calvin nicht mehr am Leben, wol
aber lebte noch sein theologischer Fanatismus, und so bedeutete man.
wie der Nolaner später vor dem Inquisitionsrichter zu Venedig zu Protokoll
gab, alsbald auch ihm, entweder den calvinistischen Glauben anzunehmen
oder Genf zu verlassen. Es ist kein Wunder, dass der Philosoph das
Letztere vorzog. Übrigens hat er, wie er zu dem venetianischen Inquisitions
protokoll angiebt, (cf. Berti, documenti p. 19) in Genf, um den reformierten
Glauben kennen zu lernen, häufig die Predigten der calvinistischen Geist
lichen besucht, besonders diejenigen eines Italieners, Niccolo Balbini, der
über die Epistel St. Pauli predigte; möglicherweise hat gerade letzterer
an diesem Leitfaden die calvinistische Lehre von der Gnadenwahl in ihrer
damaligen durch die allgemeinen rabies theologorum outrierten Form
unserm aus der Schule des Thomas von Aquino kommenden Philosophen
so verständlich gemacht, dass es mehr als zuviel von ihm verlangt wäre,
den wahren Kern echtpaulinischen Christentums unbefangen zu würdigen.
Abgestossen von dieser Karicatur fühlt sich nun Bruno anscheinend
veranlasst, das ethische Moment lediglich in die T h a t zu verlegen und
den essentiellen Werth der ethischen Gesinnung, des Glaubens im
weiteren Sinne, aus welchem die Werke sich als notwendige Folgen ergeben,
zu unterschätzen. Vergl. dagegen Not. 1 zu S. 139. Durchaus berechtigt
ist seine Satire, sofern sie auf jene bedenklichste Wirkung der kirch
lichen Christlichkeit zielt, welche mit der Entmannung alles auf
thatkräftige Besserung irdischer Verhältnisse gerichteten
Streben s, in pessimistischer Verleugnung und Verachtung
aller Vorzüge besserer Menschlichkeit als rein weltlicher
Tugenden abschliesst. Ich meine jene Knechtsgestalt des
Christentums, welche dem Menschen jegliche Fähigkeit abspricht,
ohne theologische Vermittlung etwas aus sich zu machen, wonach ,,all
unser Trachten und Dichten böse ist von Jugend auf,“ wonach Wissen
schaft, Kunst und Vaterland nur weltliche und folglich teuflische An
gelegenheiten sind, wonach aber ohne jedes eigne Verdienst lediglich