Full text: Reformation des Himmels

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einen Licenziateli*) nennen. Gieb aber nur ruhig Deine 
Entscheidung : denn wenn sie gut ist, werden wir sie 
genehmigen.“ Da sagte Momus: „Mir scheint es an 
gemessen und gerecht, dass auch diese hier spazieren 
gehen müsse auf denselben öffentlichen Plätzen und 
Strassen, auf welchen man den Reichtum umherflanieren 
sieht, und dass sie auch dieselben Gebiete durchwandern 
müsse, wie jener. 
Denn nach den Regeln der Logik darf Armut aus 
dem Grunde des konträren Gegensatzes nur da eintreten, 
wo Reichtum abzieht, und darf jener andererseits nirgends 
eintreten ausgenommen da, wo diese abzieht und flieht. 
Möge die Armut sich daher immer an die 
Fersen des Reichtums heften 2 ) und ihm einen 
h Siehe Note 1 Seite 157. 
2 ) In einer anderen, weniger logischen, als praktischen Beziehung 
bilden Reichtum und Armut, wie es Bruno hier vortrefflich in’s Licht 
setzt, einen Gegensatz in dem Sinne, in welchem man sagt: „Die Extreme 
berühren sich“ oder „Contraria versentur circa idem“, cf. Note 1 Seite 40. 
* Diese Coincidenz hat eine tiefer gehende und weitreichende 
nation al-ö k o nomische Bedeutung. Der Reichtum im Sinne unserer 
heutigen sozialen Verfassung ist nämlich weit weniger eine ethisch durch 
aus unschuldige, unmittelbare Herrschaft über sachliche Werte, als 
vielmehr eine unmittelbare oder durch erstere vermittelte Gewalt 
herrschaft über die persönlichen Kräfte anderer, deren ökonomische 
Ohnmacht gerade den wesentlichsten Teil des Reichtums der anderen 
bildet, und insofern wird das eine Extrem von dem anderen als seinem 
Schattenbilde begleitet. Sozialer Reichtum und soziale Armut sind 
relative Begriffe. Die eingehendste wissenschaftliche Untersuchung dieses 
Relativitätsverhältnisses findet man in dem geistvollen Buche des 
amerikanischen Sozialreformers Henry George „Fortschritt und 
Armut“, an welchem sich einmal wieder der brunonische Ausspruch 
bewahrheitet, dass der keine geringe Entdeckung macht, welcher die 
Coincidenz zweier Widersprüche aufdeckt, cf. Note 1 Seite 40. 
Als Beleg für unseren Text mag aus diesem Werke folgender 
Passus zitiert werden: „Fortschritt und Armut“, p. 85. 
„Es sind die neueren Länder — d. h. die Länder, wo der materielle 
Fortschritt noch in den Windeln liegt — nach denen die Arbeiter aus 
wandern, um höhere Löhne zu gewinnen, und das Kapital hinströmt, um 
höhere Zinsen zu erlangen. In den älteren Ländern dagegen,-- d. h. in 
, denjenigen, wo der materielle Fortschritt älteren Datums ist — findet 
sich weitverbreitete Armut inmitten des grössten Überflusses. Geht man 
in eines jener jungen Gemeinwesen, wo angelsächsische Kraft eben den 
Wettlauf des Fortschritts beginnt, wo die Werkzeuge der Produktion 
und des Austausches noch roh und wenig entwickelt sind, wo die An 
sammlung von Gütern noch nicht gross genug ist, um irgend einer Klasse 
zu gestatten, in Bequemlichkeit und Luxus zu leben, wo das beste Haus
	        
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