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„Ich sehe, o Momus,“ erwiderte Armut, „dass Du
mich zum Besten hast und dass selbst Du, dessen Beruf
es ist, die Wahrheit zu reden und ungeniert zu sprechen,
meiner spottest, und das will mir nicht gefallen ; denn
Armut hat es ebenso sehr, ja viel mehr nötig, in Schutz
genommen zu werden, als Reichtum.“ — „Was willst Du
denn, dass ich thun soll,“ sagte Momus, „wenn Du in
Wirklichkeit arm bist; Armut verdient keine Verteidigung,
wenn sie arm ist an Urteil, Verstand, Verdiensten
und Schlussfolgerungen, wie Du es bist, die Du mich
gezwungen hast, sogar noch auf die analytischen
Regeln der priora und posteriora des Aristoteles zurück
zukommen. “
Saulin: Was sagst Du da, Sofia? nehmen also auch die
Götter zuweilen den Aristoteles zur Hand? studieren auch
sie noch in den Philosophen?
Sofia: Allerdings, — um nicht gar zu reden von der berühmten
Pippa, Nanna, Antonia, Ankroja : ) und noch einem anderen
Buche, dessen Autor man nicht kennt, da es sich fragt,
ob es von Ovid oder Virgil ist, und dessen Titel ich
nicht erinnere, 2 ) sowie von ähnlichen anderen.
Sa ul in: Um so wichtige und ernste Dinge bekümmern
sie sich ?
Sofia: Und scheint es Dir etwa, dass dieses nicht ernste,
nicht wichtige Dinge sind? Wenn Du mehr Philosoph
wärest, ich meine, wenn Du einsichtiger wärest, so
würdest Du glauben, dass es keine Lektüre, keine
Schrift giebt, die nicht von den Göttern geprüft wird,
und die nicht, wenn sie nicht ganz ohne Salz ist, von
ihnen durchgelesen, und wenn sie nicht ganz und
gar sinnlos ist, von ihnen approbiert und in ihre
gemeinschaftliche Bibliothek eingereiht würde; denn sie
r ) Wahrscheinlich zur Zeit Bruno’s vielgelesene Unterhaltungs
schriften, etwa von der damals in Deutschland als „Rollwagen-Büchlein“
bekannten Gattung, grösstenteils sehr schlüpfriger Natur, Anfänge der
Roman-Litteratur. Vergl. Grimmelshausen, Simplicius simplicissimus.
2 ) Jedenfalls die sog. Priapeja, eine Sammlung lateinischer Zoten
gedichte. Vergl. Lessing, Anmerkungen über das Epigramm IV. (Ge
sammelte Werke v. Cotta XV, p. 138.)
Kuhlenb eck, Giordano Bruno.
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