Full text: Reformation des Himmels

161 
„Ich sehe, o Momus,“ erwiderte Armut, „dass Du 
mich zum Besten hast und dass selbst Du, dessen Beruf 
es ist, die Wahrheit zu reden und ungeniert zu sprechen, 
meiner spottest, und das will mir nicht gefallen ; denn 
Armut hat es ebenso sehr, ja viel mehr nötig, in Schutz 
genommen zu werden, als Reichtum.“ — „Was willst Du 
denn, dass ich thun soll,“ sagte Momus, „wenn Du in 
Wirklichkeit arm bist; Armut verdient keine Verteidigung, 
wenn sie arm ist an Urteil, Verstand, Verdiensten 
und Schlussfolgerungen, wie Du es bist, die Du mich 
gezwungen hast, sogar noch auf die analytischen 
Regeln der priora und posteriora des Aristoteles zurück 
zukommen. “ 
Saulin: Was sagst Du da, Sofia? nehmen also auch die 
Götter zuweilen den Aristoteles zur Hand? studieren auch 
sie noch in den Philosophen? 
Sofia: Allerdings, — um nicht gar zu reden von der berühmten 
Pippa, Nanna, Antonia, Ankroja : ) und noch einem anderen 
Buche, dessen Autor man nicht kennt, da es sich fragt, 
ob es von Ovid oder Virgil ist, und dessen Titel ich 
nicht erinnere, 2 ) sowie von ähnlichen anderen. 
Sa ul in: Um so wichtige und ernste Dinge bekümmern 
sie sich ? 
Sofia: Und scheint es Dir etwa, dass dieses nicht ernste, 
nicht wichtige Dinge sind? Wenn Du mehr Philosoph 
wärest, ich meine, wenn Du einsichtiger wärest, so 
würdest Du glauben, dass es keine Lektüre, keine 
Schrift giebt, die nicht von den Göttern geprüft wird, 
und die nicht, wenn sie nicht ganz ohne Salz ist, von 
ihnen durchgelesen, und wenn sie nicht ganz und 
gar sinnlos ist, von ihnen approbiert und in ihre 
gemeinschaftliche Bibliothek eingereiht würde; denn sie 
r ) Wahrscheinlich zur Zeit Bruno’s vielgelesene Unterhaltungs 
schriften, etwa von der damals in Deutschland als „Rollwagen-Büchlein“ 
bekannten Gattung, grösstenteils sehr schlüpfriger Natur, Anfänge der 
Roman-Litteratur. Vergl. Grimmelshausen, Simplicius simplicissimus. 
2 ) Jedenfalls die sog. Priapeja, eine Sammlung lateinischer Zoten 
gedichte. Vergl. Lessing, Anmerkungen über das Epigramm IV. (Ge 
sammelte Werke v. Cotta XV, p. 138.) 
Kuhlenb eck, Giordano Bruno. 
12
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.