Full text: Reformation des Himmels

irdischen Götter schwanden, nicht aber die Gottheit. Viel 
mehr ward die Gottheit erst uns näher gerückt. 
„Wie einstens, tönt noch jetzt die stumme Sprache der 
Nacht von jenen Höhen zu den Sterblichen herunter, aber nicht 
mehr in mystischen und verwirrenden Tönen, nicht mehr in 
dunklen Orakeln oder grausigen Opfergeboten; die Lehre 
d e r W a h r h e i t kommt n u r aus jenen Welten; jene r 
Wahrheit, welcher wir freudig alle Träume und 
Mysterien, alle Vorurteile und Lieblingsideen 
hingeben, weil sie allein dem menschlichen Wesen 
die vollste Befriedigung gewährt.“ (Falb a. a. 0. p. 3.) 
Die unendliche Welt hat für Bruno keinen räumlichen 
Mittelpunkt; aber einen Mittelpunkt, den sie überall hat, das 
ist das Naturgesetz, und das Naturgesetz ist die Seele 
der Welt, die Eine Gottheit; und die natürliche Weltordnung 
muss zugleich die sittliche Weltordnung sein; die sittliche 
Weltordnung muss eine natürliche sein. So führte auch ihn 
die Betrachtung des bestirnten Himmels zurück zur Betrachtung 
des moralischen Gesetzes in uns. Das moralische Gesetz 
der Alten hatte seinen Mittelpunkt in der äusseren Autorität, 
in der Offenbarung, die Tugend der Alten ihren Gravitations 
punkt in der künftigen Belohnung und Bestrafung. Dieser 
Mittelpunkt war geschwunden mit der neuen Weltbetrachtung. 
„Sofort nun wende Dich nach innen. 
Das Centruin findest Du da drinnen, 
Woran kein Edler zweifeln mag. 
Wirst keine Regel da vermissen; 
Denn das selbstständige Gewissen 
Ist Sonne Deinem Sittentag.“ 
(Goethe.) 
Bruno zog die vollen Consequenzen seiner Weltbetrachtung. 
Reformator der Naturanschauung, fühlte er sich berufen, auch 
ein Reformator der Ethik zu sein. Ihm stand es von vorn 
herein fest, dass eine wahre Moral auf gleichermassen evidenten 
natürlichen Gesetzen beruhe, wie die wahre Astronomie. So 
beschloss er auf die neue, vom Sinnenschein befreite Natur 
anschauung eine neue, von der Autorität und den positiven 
Religionen befreite Ethik zu begründen. Zwar hat ihm das 
Fatum nicht vergönnt, dieses Vorhaben zu vollenden, wie er
	        
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