Full text: Reformation des Himmels

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welche in ihrem vornehmen Stolz und ihrer hehren 
Majestät sich nicht einmal herbeiliess, gen Himmel zu 
fahren ohne ihren Thron und Baldachin. Was sie betrifft, 
so wünsche ich, wenn es der hochdonnernde Vater zugiebt 
und Ihr anderen nicht meinen Zorn erregen wollt auf 
hinweghilft, braucht nicht zu befremden, es beweist nur. dass auch zu 
philosophischer Genialität etwas mehr gehört als selbstgenugsames 
Theoretisieren. Befremdlicher ist, dass Spinoza, dem nicht nur Bruno’s 
Werke, wenn er sie auch nie anders als unter eigener Firma zitiert, sondern 
dem auch diejenigen des Descartes sehr bekannt gewesen sind, — er hatte 
beide zweifellos in seiner Handbibliothek, mag dieselbe übrigens so gering 
wie nur möglich gewesen sein, — ich meine, befremdlicher ist schon, dass 
dieser Weise von Amsterdam, für den der Begriff der Tugend identisch 
ist mit dem des Nutzens, die Reue nicht deshalb für eine Tugend erklärt, 
weil Descartes nach seiner oberflächlicheren und eben deshalb für ihn 
verständlicheren Denkart, wie die Bruno’s, in Art. 191 des Buchs „über 
die Leidenschaften“, das Spinoza, wie eine Collationierung beweist, vor 
trefflich ausgenutzt hat, von dem Nutzen der Reue eingehend handelt. 
Der Lehrsatz 54. Eth. IV, scheint also doch, wenn man von der Note, 
Absatz 2, absieht, sein geistiges Eigentum zu sein. 
Noch grösseren Tadel verdienen einige moderne Nachfolger des „heiligen“ 
Spinoza, die sich mit Vorliebe gerade einer empirischen induktiven Spekula 
tionsmethode rühmen, wenn sie dennoch, weil sie auf ihrer metaphysischen 
Grundlage mit der Reue nichts anzufangen wissen, anstatt diese falsche 
Grundlegung zu bereuen, lieber den Begriff der Reue nach ihrem System 
zu korrigieren versuchen. So begnügt sich der vorhin genannte Dr.Wollny 
a. a. 0. die Reue abzufertigen „als die lebendige Erregung von Empfindungen, 
welche mit gewissen Antrieben zu bereits vollzogenen Handlungen in uns 
in Widerspruch stehen“, und fügt hinzu, dass sie nicht unaustilgbar sei; 
und der Verfasser der Philosophie des Unbewussten, Ed. von Hartmann, 
nennt gar „die Reue ein rein natürliches psychologisches Faktum, das an 
und für sich gar keine sittliche (!) Bedeutung hat, welches 
durch Depression des moralischen Selbstgefühls überwiegend schäd 
lich wirkt,“ da das Selbstgefühl der beste Antrieb zu Tugend sei“ 
und „die rückwärts gerichtete Seite der Reue unnütz, die vorwärts gerichtete 
überflüssig sei (!), da schon die Vernunft die Besserung ohne Schmerz 
empfindung besorge.“ (Hartmann, Phänomenologie des sittlichen Bewusst 
seins 188, 192, 194). 
Wenn nun unser Bruno im entschiedensten Gegensatz zu 
solchen Philosophen in der obigen Stelle unseres Textes, welche als eine 
ganz einzige dichterische Perle aus der vielfältig schillernden Muschel des 
Dialogs hervorglänzt, die Reue als Tugend feiert, so braucht man 
deshalb keinenfalls seine dichterische Begabung auf Unkosten der philo 
sophischen an dieser Stelle für massgebend zu erachten; vielmehr würde 
jene schöne Allegorie nichts als Wortgeklingel sein, wenn sie nicht, wie 
alles Schöne, die Wahrheit zum Kerne hätte. Im Gegensatz zu Spinoza, 
für den die Tugend schliesslich ein leerer Schall ist und dessen Ethik 
zur Beruhigung alter Sünder, nicht aber zur Erziehung von Helden tauglich 
ist, geht Bruno davon aus, dass die Welt und den Menschen zu begreifen 
so viel heisst, als Ursache und Zweck. Sinn und Bedeutung. Wert und 
Unwert der objektiven und subjektiven Erscheinungsthatsachen zu 
erfassen, zu ordnen und zu wägen, und von diesem Standpunkte muss 
dieReue. gerade wenn sie als natürliches psychologisches Faktum
	        
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