Full text: Reformation des Himmels

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die Gefahr hin, dass ich es Euch mit gleichem Mass 
zurückgebe, wenn Ihr mir unter die Finger kommt, — 
dass, da sie den National-Charakter Spaniens hat und 
dort geboren, ernährt und auferzogen zu sein scheint, 
Spanien ihr zum Aufenthalt zugewiesen wird.“ Momus 
anerkannt wird, zur Voraussetzung der individuellen 
Willensfreiheit führen; Sinn und Bedeutung, Ursache und 
Zweck kann dieselbe in einem vernünftigen Weltzusammenhang nur 
haben, falls der Mensch anders handeln konnte, als er gehandelt hat, 
oder sagen wir lieber, falls die That als sein eigenstes Werk in ihm 
selber ihre letzte, metaphysische Ursache hat. Für Brunos trans 
zendentalen Individualismus ist letzteres ohnedem selbstverständlich. 
Wenn aber Spinoza mit seinen Dogmen Recht hätte, wonach die Reue 
nicht aus der Vernunft entspringt, so müsste die allgemeine Substanz, 
dieser allervollkommenste eifersüchtige Judengott Spinoza’s, der ,.keine 
anderen Götter duldet neben sich“, selber höchst unvernünftig sein. Aber 
wenn auch die Welt als Ganzes kein Vernunftssjstem wäre, so scheint es 
doch, gerade der Reue müsste selbst dann wenigstens die individuelle 
Vernunft als Ursprung zuerkannt werden. Denn die Reue setzt ja gerade 
eine bessere Einsicht in die sittliche Bedeutung der geschehenen That 
voraus, die Reue entspringt gerade aus der vernünftigen Selbsterkenntnis, 
Kinder, Barbaren und Wahnsinnige kennen dieses psychische Schmerz 
gefühl nicht. (Ich kann das rein körperlich bedingte krankhafte psychische 
Schmerzgefühl einzelner Geisteskranker, insbesondere Melancholiker, nicht 
als Reue bezeichnen.) 
Folglich kann sie nichts unvernünftiges sein; und wenn sie dennoch 
sich mit Notwendigkeit einstellt und sich auch mit scheinbaren Verstands 
gründen ä la Franz Moor nicht wegdisputieren lässt, so beweist sie nichts 
anderes, als dass der Mensch von Natur zu vernünftigem Handeln bestimmt 
ist, aber auch, dass die Erfüllung dieser Bestimmung von seiner Selbst 
bestimmung bedingt ist, oder mit andern Worten, dass er vernünftig wollen 
soll und kann, aber nicht muss; er kann dem Sollbegriff, dem sittlichen 
Gebot den Gehorsam kündigen, und das heisst „sittliche Freiheit“ für das 
endliche Wesen. Für ein unendliches Wesen (Gott) kann dieser Soll 
begriff und auch diese Freiheit als solche nicht existieren, für Gott kann 
kein Soll bestehen, anders zu wirken als er w'irkt, er wäre ja gar nicht 
das höchste sittliche Wesen, wenn er noch ein über ihn stehendes Soll 
anerkennen müsste ; darum fallen, wie Bruno sagt, für Gott Freiheit und 
Notwendigkeit zusammen, und diese freie Notwendigkeit und notwendige 
Freiheit , welche zugleich das Geheimnis der Schönheit ist (Schiller), zu 
erstreben, muss das Ideal der Menschheit sein. Da es sich nun mit dem 
Menschen so verhält, dass er nicht mit Notwendigkeit das Gute wollen muss, 
ob er es gleich wollen kann und soll, so rechtfertigt sich die Reue, als die 
von notwendigem Schmerzgefühl begleitete bessere Er 
kenntnis der sittlichen Bedeutung einer That, als Criterium 
seiner sittlichen Freiheit. Des Menschen Sollen geht dahin, die 
Vernunft und deren freie Notwendigkeit in sich zu verwirklichen, der 
Mangel eines mechanischen Zwanges ist ein Essentiale dieser Verwirk 
lichung, und somit die Möglichkeit der Sünde gerade sein Vorzug, nicht 
vor dem höchsten Wesen, wol aber vor niederen Wesen, die noch 
nicht für sich, sondern nur als Modi jenes höchsten und seiner unend 
lichen Substanz existieren. Als ein im letzten Grunde also nur zu seinem 
Heile bestimmtes notwendiges Schmerzgefühl mag denn der Mensch die
	        
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