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Abantide *) den Phorciden das Augenlicht , der Medusa
das Haupt, die heiligen Äpfel dem Sohn der Climene
und des Japetos, 2 ) die Tochter des Cefeus und der
Cassiopea dem Ungeheuer abgestritten, das Weib vor dem
Nebenbuhler beschützt, sein Vaterland Argos wiederbesucht,
dem Proteus die Herrschaft genommen und sie seinem
Bruder Crisios wiedergegeben und sich selber gerächt
hat an dem undankbaren und ungesitteten König des
Seriphischen Eilands, kraft deren man, sage ich, jede
Wachsamkeit überlisten, jede Widerwärtigkeit überwinden,
sich jeden Weg und jeden Zugang eröffnen, sich jeden
Schatz erwerben, jede Gewalt unterwerfen, jede Schlechtig
keit beseitigen, jedes Ziel erreichen, jeden Besitz ver
teidigen, in jeden Hafen gelangen, alle Widersacher zu
Boden werfen, alle Beleidigungen rächen und schliesslich
alle Ideale verwirklichen kann. Also verfügte es Zeus,
und diese Verfügung billigten alle Götter, und die aus
dauernde und fleissige Thätigkeit trat hervor, 3 ) und siehe,
] ) Der Abantide ist Perseus, der Sohn der Danae, deren Grossvater
Abas König von Argos war. Die Darstellung seiner Thaten siehe bei
Ovid, Metamorph. IV. V.
2 ) Atlas, der Hüter der goldenen Hesperiden- Äpfel, wurde von
Perseus mittels des Medusenhauptes versteinert.
3 ) So sehr Bruno, wie die vorigen Betrachtungen über die Reue
und Einfalt beweisen, in der Tiefe seiner ethischen Grundlegung zur
Mystik neigt, ist er doch ein entschiedener Gegner des so häufig als
Frucht einer falschen Mystik auftretenden Quietismus. Nicht in geistiger
Versenkung in der Absolute, welche vielfach nur ein Euphemismus für
krankhafte Apathie und Blödsinn ist, sondern in geistiger Energie, in
rastloser Thätigkeit mit den blanken Waffen der Wissenschaft sucht er
die Aufgabe des Lebens, und die mystische Gemütstiefe seiner Lehre dient
nur als verjüngendes Bad für die praktische und wissenschaftliche That-
kraft. Eine solche Ethik ist geeignet, die chx-istliche Glaubensinnigkeit
mit dem antiken Heroismus zu versöhnen. Auch der Unsterblichkeits-
gedanke, der den Christen so oft zu thatloser Weltflucht verlockt, giebt
ihm nur ein treibendes Motiv mehr für energische Thätigkeit im Diesseits.
Bruno steht hierin, wie wir in Note 1 Seite 216 nachweisen werden, im vollen
Einklang mit dem Stifter des Christentums. Vergl. auch Note 1 auf Seite 138.
So stellt Bruno der fortezza, der ausdauernden Stärke, welche die
physischen und sinnlichen Gewalten überwändet, wie der auf dem Erd
boden wandernde Herkules, das unermüdliche Feuer der geistigen
Thätigkeit, welche der flügelbeschuhte Gorgonentödter Perseus repräsen
tiert, als Kardinaltugend zur Seite.
Hiermit schliesst er die Zahl mehr formeller Tugenden
ab, welche wie der Sauerstoff die Luft und jeden in ihr lebenden Organismus,
<lie brunonische Ethik durchdringen und derselben ihre eigentümliche