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Im Sinne der erwähnten Ebenbildlichkeit zu sein ver
möchte. Dieses Vermögen würde sicherlich, wenn es
müssig bliebe, fruchtlos und eitel erscheinen, unnütz wie
ein Auge, das nichts sieht, und eine Hand, die nicht
zugreift. So ist es denn Wille der Vorsehung, dass der
Mensch seine Hände mit Handlungen und seinen Verstand
mit Nachdenken beschäftige,* in der Weise, dass er nicht
nachdenken soll, ohne thätig zu werden und nicht thätig
werden soll ohne Nachdenken. Im goldenen Zeitalter
waren also die Menschen mit ihrer Müssigkeit um
nichts tugendhafter als- es heutzutage die
Tiere sind, und vielleicht waren sie sogar stupider,
als viele von diesen. Jetzt aber, nachdem unter
ihnen, zufolge Nachahmung göttlicher Thätigkeit
und mittels Anpassung geistiger Bestrebungen,
Not und Schwierigkeit erstanden ist, hat sich
ihr Verstand geschärft, sind Gewerbe und Künste
erfunden, und werden von Tag zu Tag durch den
Bedarf immer neue und wunderbare Erfindungen
aus der Tiefe des M e n s c h e n g e i s t e s hervor-
gehoben, weshalb sie sich mit sorgsamen und
drängendem F1 eiss immer mehr und mehr vom
tierischen Dasein entfernen und dem göttlichen
Sein nähern. 1 ) Eber die Ungerechtigkeiten und Schlech
tigkeiten aber, welche freilich zugleich mit den civilisa-
torischen und industriellen Fortschritten entstehen, darf
man sich nicht wundern, denn wenn die Binder und
Affen ebenso viel Tugenden und Geisteskräfte besässen,
wie die Menschen, so würden sie auch denselben Begierden,
denselben Leidenschaften und Lastern ausgesetzt sein.
x ) So singt Hölderlin:
,.Als von des Friedens heil'gen Thalen,
Wo sich die Liebe Kränze wand,
Hinüber zu den Göttermahlen
Des goldmen Alters Zauber schwand,
Als nun des Schicksals ehrne Hechte,
Die grosse Meisterin die Not,
Dem übermächtigen Geschlechte
Den langen, bittern Kampf gebot:
Da sprang er aus der Mutter Wiege,
Da fand er sie, die schöne Spur