Full text: Reformation des Himmels

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Erde beständige Nebel entströmen, welche die Luft mit 
ewiger Dämmerung füllen, wo kein Lüftchen säuselt, wo 
die stumme Ruhe ihren Palast nächst der Königsburg 
des Schlafgottes besitzt, zu deren Vorhalle ein Park 
von Buchen, Cypressen und Lorbeeren führt, in dessen 
Mitte eine Fontäne sprüht, gespeist aus einem kleinen 
Nebenflüsschen des reissend strudelnden Lethestromes, 
der hier sich von der finsteren Unterwelt zur Oberfläche 
der Erde heraufdrängt und sich dem offenen Himmel 
entdeckt. Dort legte sich der schläfrige Gott in sein 
Bett, dessen Gestell aus Ebenholz, dessen Unterbett und 
Kissen mit Daunen gefüllt und dessen Oberbett von 
brauner Seide ist. Inzwischen hatte sich auch der Gott 
des Lachens wieder von der Versammlung entfernt, und 
waren die Kinnladen der Götter, deren einige sich bei 
nahe ausgerenkt hätten, wieder in ihre richtige Ruhelage 
gebracht, und der Müssiggang, welcher allein zurück 
geblieben war, da er sah, dass sich das Urteil der Götter 
keineswegs sehr zu seinen Gunsten neigte und daran 
Weder Gewild, noch Vieh, noch von Lnft geregete Zweige 
Geben Geräusch, noch Rede, von menschlichen Zungen gewechselt. 
Stumm dort wohnet die Ruh. Doch hervor am Fusse des Felsens 
Rinnt ein lethäischer Bach, durch den mit leisem Gemurmel 
Über die Kieselchen rauscht die sanft einschläfernde Welle. 
Rings um die Pforte der Kluft sind wuchernde Blumen des Mohnes 
Und unzählbare Kräuter, woraus sich Milch zur Betäubung 
Sammelt die Nacht, und thauig die dumpfigen Lande besprenget. 
Keine knarrende Thür auf umgedrehter Angel 
Ist in dem ganzen Haus, und keine Hut an der Schwelle, 
Tief im Gemach ist ein Lager, erhöht auf des Ebenus Schwärze, 
Dunsend von bräunlichem Flaum und mit bräunlicher Hülle bedecket, 
Wo sich der Gott ausdehnet, gelöst von Ermattung die Glieder. 
Rings um jenen zerstreut in vielfach gaukelnder Bildung 
Liegen die luftigen Träume, so viel als Ähren das Kornfeld, 
Als Laub träget der Wald und gespülten Sand das Gestade. 
Aber der Vater, im Schwarm von Tausenden, die er gezeuget, 
Rufet hervor den Künstler und ähnlicher aller Gestaltung, 
Morpheus. Nicht ist einer gewitzigter, nach dem Gebote 
Auszudrücken den Gang, die Geberde und Weise des Redens, 
Kleidungen fügt er hinzu, und die üblichsten Worte von jedem. 
Nur in Gestalt von Menschen erscheint er. Aber der andre 
Wird zu Gewild, wird Vogel, und wird langrollende Schlange. 
Ikelos nennen ihn Götter, die Sterblichen alle Phobetör. 
Noch ist dort ein Dritter von ganz verschiedenen Gaben, 
Phantasus, welcher in Land, in Gestein, in Wasser, in Balken 
Und was der Seel’ entbehrt, mit glücklicher Leichtigkeit eingeht.“
	        
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