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Gleichheit und Proportion einer beliebigen Sehne zu
einem beliebigen Bogen linden, sei es nun dass sie ganz
oder teilweise oder nach einem bestimmten Verhältnisse
vermehrt ein derartiges Polygon konstituiert, das in der
bezeichneten Weise von einem Kreise umschrieben ist
oder ihn umschreibt. : )
„Nun beschliesse man schnell“, sagte Zeus, „wer
diesen Platz einnehmen soll.“ Da antwortete Minerva:
„Mir däucht, dass hier am besten die Treue und Auf
richtigkeit stehen würde, ohne welche jeder Vertrag-
zweideutig und schwankend ist, jeder Verkehr sich auf
löst, alle Gemeinschaft zerbröckelt. Sehet, wohin jetzt
die Welt heruntergekommen ist, nachdem es in ihr zur
Gewohnheit und zum Sprichwort geworden, dass „Regenten
an Treue und Versprechungen nicht gebunden sind“, ferner:
dass „man den Ungläubigen und Ketzern kein gegebenes
Wort zu halten braucht“, endlich, „dass man dem die
Treue brechen darf, der sie bricht.“ Wahrlich, was soll
daraus werden, wenn dieser Grundsatz von Allen bethätigt
wird? Wohin wird es mit der Welt kommen, wenn alle
’) Wie eben bemerkt, hat Bruno die mathematische Bedeutung der
von ihm in Anschluss an den Cusaner erfundenen Gleichung aller Figuren
überschätzt; er hätte zu dieser Übertreibung, die übrigens nicht ohne
Ironie sein dürfte, eher Anlass gehabt, wenn es seiner Intuition gelungen
wäre, am Leitfaden der Idee des unbeschränkt Kleinen die später von
Newton entdeckte Differenzialrechnung und damit die höhere Mathe
matik zu begründen. Anderwärts hebt Bruno selbst hervor, dass das
Suchen nach exakter Lösung der Quadratur des Kreises nach den
Voraussetzungen seiner Philosophie eitel ist und spottet der nutzlosen
Bemühungen der sich damit quälenden, geschäftigen Müssiggänger:
Siehe S. 248 oben. In der Endiichkeiit und phänomenalen Wirklich
keit kann ein wahrer Kreis ebenso wenig existieren, wie die wahre
Gerade. Nur in der Unendlichkeit, jenseits unserer phänomenalen An
schauung sind diese beiden vollkommenen Linien denkbar. Dort aber
fallen sie in eins zusammen, wie denn dort Alles, das Kleinste und das
Grösste, Umfang und Mittelpunkt eins sind. cf. Bruno, „De Triplici
Minimo et Mensura“, II, c. 34: „verum circulumfinitum non
esse in natura possibilem“. Ferner Bruno, „De Monade etc.“
Fiorentino II, 340. Der natürliche, endliche Verstand hat an der endlichen
Grenze halt zu machen, die Unendlichkeit ist für ihn nichts als ein not
wendiger Grenzbegriff; die Überschreitung dieser Grenze mit logischer
Spielerei führt zu nichts anderem, als zu „jener nicht - euklidischen
Hypergeometrie" eines Gauss, von Parallelen, die im Unendlichen einen
Winkel bilden“, „Dreiecken, deren Winkelzahl 180 0 überschreitet“ u. s. w.
Vergl. Dühring, „Kursus der Philosophie“ p. 78. Ferner des letzteren
Geschichte der Mechanik, Schluss S. 490 ff.