Full text: Reformation des Himmels

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Enthaltsamkeit, clie Reinheit, die Bescheidenheit, 
Ehrbarkeit und Ehrenhaftigkeit, die Feindinnen der 
sich preisgebenden Lüsternheit, der ausschweifenden Un 
enthaltsamkeit, Unkeuschheit und Schamlosigkeit, in An 
betracht deren ich die Jungfräulichkeitunter die Tugenden 
rechne, obwol sie an und für sich selbst ohne inneren 
Wert ist; denn an und für sich selbst ist sie weder 
eine Tugend noch ein Laster und schliesst weder 
ein Gut noch ein Verdienst noch irgend eine Würde in 
sich ein; und soweit sie dem Gebote der Natur nicht 
gehorcht, wird sie sogar zum Vergehen, zur Kraftlosigkeit, 
ist sie nur ein Ausdruck der Albernheit und Dummheit; 
nur sofern sie auf einem vernünftigen Grunde 
beruht und sich Enthaltsamkeit nennen darf, 
hat sie das Wesen einer Tugend; denn insofern 
hat sie Teil an der Tapferkeit, Selbstbeherrschung und 
Verachtung der Begierden und ist nicht eitel und unnütz, 
sondern trägt zur Erhaltung des echt menschlichen Ver 
kehrs und zur ehrenhaften Genugthuung des Nächsten bei.“ 
Die Wage: — Billigkeit, Gerechtigkeit. 
,,Und was sollen wir mit der Wage machen?“ 
fragte Merkur. — „Sie mag dem Familienleben dienen, da 
mit die Hausväter mittels derselben rechtzeitig prüfen 
können, wohin sich die Fähigkeiten ihrer Söhne neigen, 
ob zu den Wissenschaften, zur Waffenkunst, zum Acker 
bau, zur Religion, zum Cölibat oder zur Liebe, sintemal 
es nicht gut ist, einen Esel zum Fliegen oder Schweine 
zum Pflügen abrichten zu wollen. Auch den Akademieen 
und Universitäten mag sie zum Gebrauch gegeben werden, 
um auf ihr zu prüfen, ob die, welche daselbst lehren, 
gerecht und von geistigem Gewicht oder zu leicht sind 
oder das Gleichgewicht stören, und ob manche, die 
sich anmassen, mit Wort und Schrift als Lehrer auf 
zutreten, nicht besser thäten, erst selber noch zu hören 
und zu studieren; man lege die Geister auf diese Wage 
und sehe, ob dieselben Flügel oder Bleigewicht besitzen, 
ob sie von der Natur des Viehs oder des Hirten sind,
	        
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