Erläuterungsschreiben des Nolaners
an
den hochedlen und vortrefflichen Ritter
Herrn Philipp Sidney. 1 )
blind ist, wer die Sonne nicht sieht, dumm, wer sie nicht
erkennt, und undankbar, wer sie nicht verehrt, da doch ihr
Licht so hell, ihre Güte so gross und ihre Wohlthat so ausser
ordentlich ist, dadurch der Meister der Sinne, der Vater der
Wesen, der Schöpfer des Lebens Licht, Wärme und Freude
ausstrahlt. Nun, so wüsste ich auch nicht, wofür ich selber
mich halten müsste, hochedler Herr, wenn ich Euren Geist
nicht hochschätzte, Euren Charakter nicht ehrte und Eure
Wohlthaten nicht achtete, die Ihr mir von Anfang an, sobald
x ) Lord Philipp Sidney war Sohn des Gouverneurs von Irland,
Neffe Leicester’s, ein junger Mann von ritterlichem Charakter und vor
züglichen Geistesgaben, „in dem sich,“ wie Ranke, engl. Geschichte I. 351.
sagt, „das englische Ideal edler Ausbildung verwirklicht zu haben schien.“
Kriegsheld, Staatsmann und Dichter in einer Person, wird er auch w r ohl
der letzte Ritter, ein Bayard Gross-Britanniens genannt. S. kam mit
28 Jahren an den Hof Karls des IX. nach Paris, genoss hier unter den
„gentilshommes de la chambre“ eine bevorzugte Stellung beim König, ent
ging aber dennoch dem Gemetzel der „heil.“ Bartholomäusnacht nur mit
knapper Not durch Flucht in das englische Gesandtschaftshotel zu
seinem späteren Schwiegervater Lord Walsingham, verliess Frankreich,
durchreiste Deutschland, wo er in Frankfurt a. M., und Italien, wo er in
Padua längere Zeit wissenschaftlichen Studien oblag, und kehrte 1575
nach London zurück. Hier wurde er nicht nur der Günstling der Königin,
sondern — ein seltenes Zusammentreffen — zugleich auch des Volkes,
dessen Interessen gegenüber der Königin er mehr als einmal freimütig
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